Montag, 18. Dezember 2017

Memoiren: Juli 2010





Das einzig Angenehme an der Hitze: die Massen waren beim Public Viewing (nein, nicht in einem Leichenschauhaus), und das 4:1 konnte ich mir, wir uns und man sich in einer angenehmen Menschenleere in einem Restaurant bei einem Bananenweizen und einer Pizza anschauen. Aber es wurde noch heißer. Ich schleppte reihenweise 9kg-Sixpacks Wasser nach Hause, aß Eis, half nix. Die Luft, dieser feuchte Dreck. Kein Entkommen. Am Tag, an dem das Finale lief, war es am Heißesten. Das Finale war hässlich. Der Tag war schön. Von einem Wein aus der Zeit von Müller, Maier und Beckenbauer betrunken, ging der Feldzug gegen die Eisdielen los. Kugel für Kugel wurde die Spandauer Innenstadt eisfrei gemacht. 40 Grad im Schatten. Muss alles Geschäft sein? Man hätte uns das Eis auch für ein Danke hergeben können, es wäre an dem Tag selbst in der Tiefkühltruhe geschmolzen.

Eine unangenehme Begegnung mit Aktivisten. Du, Spendenvieh, bist Dreck für sie. Sie bohren ihre Gewissenszähne tief in deinen Hals, und wenn kein Geld statt Blut fließt, beißen sie dir den Kopf ab. Jemand, der die Menschen so hasst, sollte eigentlich davon ausgehen, dass diesen sein weltverbesserisches Anliegen egal ist. Das schäbigste Eis überhaupt gab es für 7,50 nicht weit vom Bahnhof Zoo. Die frischen saftigen blauen Beeren, die Hauptattraktion der Eissorte auf der Karte, kamen wahrscheinlichstenfalls aus dem Supermarkt, wurden etwas aufgewärmt und in aller Frechheit dargereicht, während Bettler Kunde für Kunde Kunden an den Tischen belästigten. Die Wiedergutmachung am Bahnhof in Hannover Klasse, das Eis. Für vier Wochen sollte ich Berlin den Rücken kehren, was beiden Seiten gut tat. Malt des Monats: Bowmore 1992 (16 Jahre, Wine Cask).

Dienstag, 12. Dezember 2017

Kurzundknappe Filmkritik (2)




Paulas Geheimnis (Gernot Krää, 2007): Miese Sozialschnulze


Paula ist eine langweilige Bonzengöre, die die Phantasie eines mittelbegabten Dreijährigen hat, und mit dieser ihre Tagträume füllt, um ihrem Leben, das noch langweiliger ist, als sie selbst, zu entfliehen. Tobi (den Nachnamen hätten sie nicht subtiler aussuchen können: Pröllinger) ist der Sohn eines Hausmeisters und ein ekelhafter Fresssack. Die beiden Kinder gehen in dieselbe Klasse; Tobi ist in Paula verknallt, Paula kann Tobi standesgemäß nicht ausstehen, und findet ihn, was sehr lobenswert ist, eklig. Als Paulas Tagebuch von zwei Roma-Kindern geklaut wird, hilft ihr Tobi beim Suchen, und die zwei Welten prallen aufeinander: auf der einen Seite die wohlstandsverwöhnten reichen und armen deutschen Gören, auf der anderen Seite als Klausklaven von einer Verbrecherbande unter grausamen Bedingungen gehaltene Roma-Kinder. Am Ende retten Tobi und Paula zwei arme Kinder, und es ist wieder heile Welt, und Paula findet das Leben so überraschend gut, und Tobi nicht mehr eklig.

Vortrefflich: für deutsche Verhältnisse arme Kinder müssen nicht dämlich sein (Tobi interessiert sich für Astronomie, und weiß Dinge, die selbst die Musterschülerin Paula nicht weiß), aber ekelhaft müssen sie schon sein: schlecht erzogen, vorlaut, dickliche Ferkel, die ständig am Fressen sind. Hätte es ein verschämter schüchterner Junge nicht auch getan? Wäre es nicht besser für welche Absichten der Film auch immer hatte gewesen, Tobi wäre ein anständig schüchterner, physiognomisch sympathischer, sich für seine niedrige soziale Herkunft schämender Junge? Zum Glück ist Paula alles andere als eine Traumprinzessin, vielmehr eine ordinäre Einzelgöre ignoranter Bonzen (als sie vom Verlust des Tagebuchs erzählt, versteht die Mutter nicht im Geringsten ihre Sorge, dass wildfremde Leute nun Paulas intimste Geheimnisse lesen können, welche allerdings so phantasielos sind, dass sie wohl in einer Million Tagebüchern in demselben Wortlaut so stehen werden), und verdient nicht wirklich einen hübschen edelschüchternen Jungen, erst recht nicht, wenn so ein ekliger Tobi ihren imaginierten Traumprinzen im Handumdrehen in den Schatten stellt. 


Kurz: es ist ein typisch deutscher Gutmenschenfilm, der Sensibilität vorspielt, und dabei jede Sensibilität vermissen lässt. Er reiht sich in die peinliche Liste der moralinsauren Kinderfilme wie die neueste Vorstadtkrokodile-Trilogie genauso bequem ein, wie in das Kitschorgienverzeichnis mit dem meistverschwendeten jungen Talent der letzten Jahre, Emilia Schüle (die Filme heißen "Freche Mädchen" 1 (2008) und 2 (2010) sowie "Gangs" (2009)). Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden ist für ihren Sarkasmus bekannt und verlieh in bester satirischer Tradition dem Film das Prädikat "besonders wertvoll".

Freitag, 8. Dezember 2017

Das große Geld





Kann das Geld die Welt retten? Kosten für Rettungspakete im Vergleich:


- Gewissensberuhigung durch Almosengabe in Berliner S-Bahn: 1 Euro pro Fahrt.

- Vollständige Gewissensrettung durch Mitgliedsbeiträge an Wohltätigkeitsorganisationen: ab 60 Euro jährlich.

- Freizeitrettung für einen faulen Studenten durch den Kauf eines externen Backofens: 100 Euro.

- Existenzminimum (nach Hartz): 4000 Euro jährlich.

- Rettung des Ansehens nach Wegfall der Potenz durch Kauf eines Sportwagens: ab 100000 Euro.

- Hinüberrettung aus dem Stand der Zinssklaven in den Stand der Zinssklavenhalter: ab 400000 Euro an verzinsbarem Vermögen.

- Massivhaus mit Rettungsbunker in der Schweiz: ab 1.000.000 Euro.

- Rettung der Spitzenposition in der Kaste der Milliardäre: 60.000.000.000 Euro.

- Rettung Griechenlands: optimistisch gerechnet 200.000.000.000 Euro.

- Rettung Deutschlands aus sämtlichen Schuldenverstrickungen: 5.000.000.000.000 Euro.

- Rettung der USA: 75.000.000.000.000 Euro.

- Rettung des Planeten: für 7 Milliarden Bevölkerungseinheiten 100.000.000.000.000 Euro jährlich (mittleres Einkommensniveau, ab welchem und höher die Umweltverschmutzung relativ abnimmt).


Anmerkung: die Berechnungen sind von 2011, also seit 5 Jahren veraltet.

Sonntag, 3. Dezember 2017

Wochenzeitungen 2028




Ein Prognoseinstitut für Vorhersagen gnostiziert folge Auflagenstärke der 12 auflagenstärksten Wochenzeitungen in Deutschland im Sommer 2028 pro:


1. Der Sex (kultureller Mainstream): 365000

2. Junge Freiheit (politischer Mainstream): 172000

3. Die Zeit (Nonsens-Radikalismus): 153000

4. Die Miezekatz (gehobenes Modeblatt): 137000

5. Der Freitag (kultureller Mainstream): 115000

6. Die Grenze (Flüchtlingszeitung): 103000

7. Der Pöbel (BILD in Schmähsprache): 90000

8. Welt am Sonntag (wirtschaftlicher Mainstream): 87000

9. Der Stürmer (Nostalgiezeitung): 71000

10. Ohne Condom (gehobene Boulevardzeitung): 54000

11. Das Spiegelbild (Lügenpresse-Mainstream): 50000

12. Die Lügenpresse (völkische Medienbeobachtung): 47000

Samstag, 25. November 2017

Kritische Filmkritik (6)





Was ist die Saw-Reihe? Torture Porn? Welches mediale Gross- oder Mittelereignis ist dies nicht? Und wenn nicht immer Torture, so stets Porn. Befriedigt Saw niedere Instinkte? Aber natürlich. So wie ein als Mordwaffe missbrauchtes Küchenmesser. Die Fragestellung danach, wie ein Gegenstand oder ein Kulturprodukt missbraucht werden kann, disqualifiziert nicht das Produkt, sondern den Fragesteller.

Was ist Saw? Saw ist Absolution. Die Intensität des struggle for life, welches in Saw 6 endgültig zu einem struggle for Vergebung geworden ist, erzeugt im Zuschauer unmittelbar keineswegs Schadenfreude - bei wem das der Fall ist, soll dringend zum Arzt - , sondern, sofern die Spiegelneuronen ihre Funktion einwandfrei erfüllen, ein unmittelbares Mitleiden und Mit-um-Vergebung-Bitten mit dem als Opfer missverstandenen Patienten.  

In einer Zeit, in der die Kirchen ein Anachronismus geworden sind, die Beichte lächerlich, die Seelsorge von der Psychotherapie ersetzt, sind neue Institutionen, neue Rituale, neue Sakramente unerlässlich. Saw hat den Nerv der Zeit getroffen, aber auch den Nerv moralversessener und moralvergessener Berufskritiker, die mit dem zugegeben bizarren Ersatz für untergegangene Rituale und Sakramente auch das Bedürfnis des Menschen nach Läuterung - welche ohne Schmerz eine bloss vorgestellte, keine wrkliche sein kann - leugnen oder unqualifiziert verurteilen, und dabei einer viel perverseren Entwicklung in die Hand spielen - der neue Mensch des globalen Cocacolakommunismus soll allein im Konsum Absolution finden, er soll Sonntags nach Schnäppchen jagen und keine bösen Filme gucken.

Donnerstag, 16. November 2017

Kritische Filmkritik (5)




Cabin Fever (Eli Roth, 2002): Kritischer Nihilismus.


Ein Horrorfilm. Was ist das? Kann man nicht mathematisch definieren, aber Beispiele anführen. "Scream", "The Ring", "I Know What You Did Last Summer" - das sind keine Horrorfilme. "A Nightmare on Elm Street", "28 Days Later" - das sind Horrorfilme. Dem Horrorlaien ist alles dasselbe, ob Mystikthriller, Splatter oder Gruselschocker. Daraus resultieren Erwartungen, die ein wirklicher Horrorfilm nicht erfüllen kann, die er auch nicht erfüllen will.

"Cabin Fever" ist ein klassischer Horrorfilm, wenn man mit Horror wirklich Horror meint, und nicht etwas anderes. Horror hat etwas mit Angst zu tun. Mit roher Angst. Angst ist die Uremotion schlechthin. Das Letzte, was dem Horrorfilm gut tun würde, wären Charaktere, die wie Computer streng nach der Logik handeln. Ein entstellter Kranker bittet um Hilfe. Was tun? Wie wird das entschieden? Auf dem Papier durch das Abwägen von logischen Argumenten. In der wirklich gegebenen Situation durch den Widerstreit von zwei Emotionen: dem Mitgefühl mit dem Kranken und der Angst vor der Krankheit.

Ein tödlicher Virus. Wer damit in Berührung kommt, stirbt innerhalb von drei Tagen. Die junge Frau in der Badewanne weiss, dass sie infiziert ist. Sie weiss, was das bedeutet. Würde sie logisch denken, würde sie etwas Anderes tun als das, was sie im Film tut. Aber würde sie logisch denken können? In der Situation? Nein. Die Szene in der Badewanne gehört darum zu den Besten im Film. Sie will es nicht wahrhaben. Sie will es einfach nicht wahrhaben. Sie ist von der Angst gelähmt. Um die Art von Angst geht es in Horrorfilmen. Wer keine Horrorfilme mag, wird diesen Film auch nicht mögen. Wer den 5-ten Teil der Freddy-Krueger-Saga zu schätzen und zu verstehen weiss, wird auch "Cabin Fever" schätzen und verstehen. Und gesellschaftskritisch ist er auch noch...

Dienstag, 14. November 2017

Kritische Filmkritik (4)




Birth (Jonathan Glazer, 2004): Nicoles gräßlichste Frisur.


Ein zehnjähriger Junge taucht bei einer erwachsenen Frau auf und behauptet, das Reinkarnat ihres verstorbenen Ehemanns zu sein. Die Geschichte selbst ist so zäh und mittelweilig, dass sich eine Kritik der Geschichte selbst nicht lohnt, - aber etwas anderes. Stellen wir uns doch vor, wir sähen im Kino einen Film, in welchem ein zehnjähriges Mädchen einen erwachsenen Mann aufsuchte, um ihm zu sagen, es sei die Reinkarnation seiner verstorbenen Ehefrau.

Den Jungen im Film lässt man in ausführlicher Bedeutung wie ein Ehemann sich benehmen. Nun dasselbe mit einem Mann und einem kleinen Mädchen. Wo "Lolita" noch die Parthenophilie explizit thematisierte und kritisch problematisierte, hätte jeder Kritiker diesem Film über - angeblich - Seelenwanderung attestiert, auf Umwegen die Pädophilie legitimieren zu wollen.  

Welcher ältere Herr ginge dann nicht mit dem Herzenswunsch aus dem Kinosaal, seine in die Jahre gekommene Gattin würde sterben und als ein Mädchen zu ihm zurückkommen, - würde wohl in der "Emma" stehen. Dabei ist es doch nur ein harmloser Perspektivwechsel, und dennoch gänzlich etwas anderes, als eine aus sich selbst heraus (sagen wir ruhig: aus Liebe, denn es handelt sich ja um die Liebe zweier Eheleute) legitimierte Beziehung eines kleinen Jungen und einer erwachsenen Frau.

Montag, 13. November 2017

Kritische Filmkritik (3)




Law Abiding Citizen (F. Gary Gray, 2009): Das Gesetz des Nihilismus.
 

Hallo Freundchen, ich will ein Spiel spielen. Vor die liegen zwei Filme: "Final Destination 4" und "Law Abiding Citizen". Was siehst du? Einen herrlichen schwarzhumorigen Horrorthriller und einen fragwürdigen Selbstjustiz-Film? Fein. Wenn Menschen wahllos und grundlos abgeschlachtet werden, eines grausamen Todes sterben, - das gefällt dir, oder? Wenn jemand die grausame Ermordung seiner Familie rächt, gefällt dir das aber gar nicht. Merkst du nicht, wer hier der Perverse ist? Ich gebe dir einen Tipp: es ist nicht wirklich nicht der Zuschauer, der Rache verurteilt, aber sich am Sterben Unschuldiger (nennen wir sie ruhig mal so) ergötzt.

Die deutschen Filmübersetzer gehören zu den besten der Welt. Oft sind ins Deutsche übersetzte Filme interessanter als das englische Original - die Rededuelle des Killers mit dem Taxifahrer in "Collateral" (2004) sind im Original ziemlich platt im Vergleich zur Übersetzung. Aber wenn es um die Übertragung von Filmtiteln ins geliebte Deutsch geht, grenzt die Leistung oft ans Debile, und überschreitet diese Grenze nicht selten. "Gesetz der Rache" nimmt dem Titel das trocken-zynische Element - der gesetzestreue Bürger, wie der Originaltitel wörtlich zu übersetzen ist, legt das Gesetz wörtlich aus und führt es ad absurdum. Einen Foltermord begangen und auf Video aufgenommen? Nicht schuldig, so will das Gesetz.

Es ist höchst fragwürdig, wie der sich für einen eigentlich ganz guten Menschen haltende Zuschauer es schafft, sich jeden Filmabend am sinnlosen Töten zu ergötzen, und sich dabei scheinheiligsterweise über nicht ganz sinnloses Töten aufzuregen. Ist doch nur ein Film? Gewiss. Der mit dem nicht ganz so sinnlosen Töten ist aber auch nur ein Film. Wenn Leichenteile fröhlich durch die Luft fliegen, sollte der Zuschauer, der dem psychopathischen Serienmörder zujubelt, doch auch keine Probleme mit einem Rächer haben, der ganz bei Verstand ist. Hat er aber. Weiß er wenigstens, warum? Ich glaube nicht.

Sonntag, 12. November 2017

Kritische Filmkritik (2)





O2 ist eine Telekommunikationsfirma, O3 ist ein Regisseur, dessen jüngster Film "Jung und Schön" schön kontrovers diskutiert wird, - weniger euphemistisch gesagt: es gibt wieder mal hysterisches Geschrei. Die meisten Menschen, insbesondere berufliche Maulhuren, benutzen die Worte "Schlampe", "Hure" und "Nutte" nuttigerweise sehr schlampig, woraus die dümmste Art von Diskussionen resultiert, nämlich jene Diskussionen, in denen für jeden ein und dasselbe Wort etwas anderes bedeutet. Solche Diskussionen fangen aus Streitlust an, und enden mit persönlichen Beleidigungen. Dabei sind die hierfür zu bestimmenden Begriffe schon beleidigend genug.

Eine Schlampe ist jemand, der Unzucht treibt. Es gibt auf der Leinwand nur noch Schlampen, es sei denn, ein Film spielt im Kloster. Die Definition der Nutte ist enger: eine Nutte verkauft ihre Sexualität, und leugnet, dass sie ihre Sexualität verkauft. Wäre die Hauptperson von "Jung und Schön" eine Nutte, wäre die Aufregung nicht so groß. Nun ist sie aber keine Nutte, sondern eine Hure, d. h. jemand, der seine Sexualität verkauft, und dazu steht. Eine 17-Jährige, die sich freiwillig prostituiert: ein Skandal! Sie wurde nicht als Kind missbraucht, sie wird nicht zur Prostitution gezwungen, sondern tut es, weil sie Lust dazu hat. Natürlich fragt man sich als Journalist, Schmeißfliege, Klatschtante oder Aufmerksamkeitsparasit, warum sie das macht.

Die Antwort ist, wie so oft, in den Konsequenzen einer nihilistischen Weltanschauung zu finden. Geld, welches niemals realisiert wird, ist bloß virtuelles Geld. Irgendwann muss mit dem Geld etwas gekauft werden, oder der Glaube daran, dass es noch gilt, schwindet. Schönheit, die nicht realisiert wird, ist virtuelle Schönheit. Im nihilistischen Bewusstsein gibt es keinen Begriff eines Selbstzwecks, der Nihilismus ist das Reich der Mittel (weshalb absolut alles als relativ erscheint). Ein schöner Körper kann nur durch sexuellen Konsum realisiert werden. Wenn es der eigene Körper ist, bedarf es eines äußeren Konsumenten als Mittel des Selbstgenusses. Tierische Menschen, die schön aussehen, wollen vernascht werden, damit ihre Schönheit realisiert wird, und wollen selbst bestimmen, von wem, damit sie durch ihre Reize Macht ausüben können.

Der eigentliche Skandal von "Jung und Schön" ist, dass Sex selbstverständlich scheint und als alternativlos gilt. Als gäbe es keine andere Art, erwachsen zu werden. Wenn der Gradmesser des Erwachsenseins in einer Gesellschaft an der Zerstörung gemessen wird, die du dem Kind in dir angetan hast, dann ist es wahrlich nicht schön, in einer solchen Gesellschaft jung zu sein. 

Sonntag, 5. November 2017

Kritische Filmkritik (1)





Was ist jugendliche Rebellion? Filme wie "Ghost World" (2001) und "Margaret" (2011) zeigen, was sie nicht ist. Beide Filme erhielten überwiegend katastrophale Kritiken, doch nicht in dem Sinne, dass die Filme vernichtend kritísiert wurden, denn es sind gute Filme, - vielmehr in dem Sinne, dass die Handlungen der jeweiligen Hauptperson krass missverstanden wurden. Man weiß nicht so recht, ob die Kritiker mit dem Kopf oder mit dem Schwanz dachten, denn sie verwechselten das hinterfotzige und rücksichtslose Verhalten von Schlampen (die gute schauspielerische Leistung von Thora Birch in "Ghost World" und Anna Paquin in "Margaret" muss besonders gelobt werden, denn es ist nicht einfach, negative Charaktere in der Hauptrolle so realistisch zu spielen) mit jugendlicher Rebellion.

Die Protagonistinnen der beiden Filme sind ungefähr 18, und verhalten sich so narzisstisch wie Vierjährige, wobei es für Kleinkinder entwicklungstechnisch gar nicht anders möglich ist, als davon auszugehen, die Welt würde sich nur um sie drehen, - für ältere Kinder und Jugendliche allerdings schon. Sie lügen, betrügen, manipulieren, sind grausam zu ihren Mitmenschen, und dabei ach so sensibel, ja die einzigen, die überhaupt echte Gefühle haben können, und alle anderen Menschen sind ja nur Trottel und Idioten. Sie sind ein abstoßendes Beispiel dafür, wie weit spätpubertärer Eigendünkel gehen kann, wie scheinheilig und heuchlerisch bereits Heranwachsende sein können. Ihre "Rebellion", wie so viele Kritiker es nennen, hat nur für andere ernste Konsequenzen, sie selbst aber können, wie Kleinkinder, ungestraft jeden "Fehler" machen, mit dem großen Unterschied, dass sie ganz genau wissen, was sie tun, und das Schlechte absichtlich (oder grob fahrlässig) tun.

Es gibt viele Jugendliche, die auf dem Holzweg sind: Gewalt, Kriminalität, Extremismus, exzessiver Drogenmissbrauch. Jene, die nicht anders können, weil sie in schrecklichen Verhältnissen aufgewachsen sind, können einem nur leid tun. Die beiden wohlbehüteten Gören sind  abgeklärt und zynisch, sie wissen genau, was gut ist, und fordern das Gute von ihren Mitmenschen mit einem theatralisch in Szene gesetzten moralischen Terror. Für sich selbst lassen sie andere Maßstäbe gelten, denn sie haben schließlich Gefühle, und sind so sensibel und genial und einzigartig. Wer schon immer wissen wollte, aber nie zu fragen wagte, was eine Bitch ist, bekommt in diesen zwei Filmen eine klare Antwort (ohne dass die Filme beanspruchten, diese Antwort zu geben).

Die meisterhaft gespielten Bitches sind nur ein Spiegelbild einer verlogenen und narzisstischen Gesellschaft; sie saugen wie Schwämme die "Werte" dieser Gesellschaft mit sämtlichen Feuchtgebieten auf, - das, was auf benebelte Filmkritiker wie Rebellion wirkt, ist nichts als konsequente Nachahmung dessen, wogegen vermeintlich rebelliert wird. Dass die Bitches als solche nicht erkannt, sondern zu Rebellinnen verklärt werden, spricht nicht gerade für ein hohes Reflexionsniveau derer, die in den genannten Filmen Gesellschaftskritik zu sehen glauben. Dass die Protagonistinnen dem Zuschauer schon deshalb sympathisch werden, weil er dazu gedrängt wird, mit ihnen mitzufühlen, sollte nicht den Blick auf deren Handlungen vernebeln; der Wunsch, derartige Spätlolitas flachzulegen, sollte nicht zum Befehl werden, ihre Verdorbenheit als Ehrlichkeit usw. zu verklären.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Nihiu Ninlinii (2814 - 2888): Nihiinii




Nihiu Ninlinii (2814 - 2888) erfand das Genre um das Jahr 2840. Die Nihiinii Ninliniis galten lange Zeit als lyrikferne Spielerei, als jedoch in den 2870-ern in Aniaine die Zeit der Nihilyrik begann, wurde Ninlinii rasch zum Klassiker des Genres - insbesondere seine Fünfzeiler der mittleren 2850-er gehörten zum Standardrepertoire jedes angeberischen Gedichteauswendigkenners. Viele selbsternannte Lyriker überfluteten die Buchläden mit Nihiinii, bis der Boom ab 2884 ein schnelles Ende fand - die formalen Vorgaben des eben noch avantgardistischen Genres wurden als einengend empfunden, die Nihiinii mussten den meist vom Sinngehalt her destruktiven Vierzeilern, den Nihiihhikiu, Platz machen.



seeeis
frage treibt empor
dünn kalt tot fort
angst fürchtet mit
fischgunst



wolkenfang
berg öffnet mund
schnell grau fest lind
geher zügelt fuss
gewaltenschau



tischschuh
bank steht quer
bang hohl kahl schal
schäme reden leis
bitttuch



umfang
seite mal vier
dünn grad lang eben
zeichner zeigt quadrat
querraute



nabelhöh
katze schnurrt nur
weiß weich warm wild
edelleere füllt kopf
herzerdurcht



Bei einem Nihiinii gleicht der Titel stets der ersten Zeile, die aus einem Wort besteht. "Seeeis" stammt vermutlich aus dem Winter 2846/47, in dem der aus der Hienner Akademie verbannte Ninlinii als Fischer sein Fisch verdiente. "Wolkenfang" gehört zum Spätwerk des Lyrikers (2863 oder 2867). "Tischschuh" (2851) wurde oft als Beweis der Albernheit der Nihiinii zitiert. "Umfang" ist der früheste erhaltene Fünfzeiler des Autors. "Nabelhöh" entstand 2855 und wurde im selben Jahr in einem für damals recht frivolen Gedichtband veröffentlicht.

Hrsg. Ihiáha Aáhaihhi, 6.1.3010. 

Donnerstag, 7. September 2017

Kurzundknappe Filmkritik (1)




Petite Playthings (Oliver Brand, 2007): Ein langweiliger Reißer.


Nicht nur dass der Episodenfilm einige Längen hat - die Filmmusik passt hinten und vorne nicht. Immer weniger Zeit lassen sich die Filmemacher dafür, eine Geschichte auszudenken, die im Film erzählt werden soll. Man hat oft den Eindruck, als würden überhaupt keine Drehbücher mehr geschrieben; alles wirkt - und in diesem Film wird es sehr deulich - wie unter Zeitdruck improvisiert.

Was die Härte angeht, so steht dieser Film auf einer Stufe mit der Brutal-Schamlos-Avantgarde, nichts wird dem Zuschauer ausgespart, wobei es hier gar ohne Brutalität schamlos zugeht. Dennoch hat der Film eine wichtigte Botschaft, die sich in der Ähnlichkeit der Episoden immer klarer herauskristallisiert: am Ende kommt alles auf dasselbe hinaus, egal wie es anfing. Diese Fatalität erlaubt einen Vergleich mit "Final Destination", welcher wiederum auf reine Brutalität setzt und ohne Obszönitäten auskommt.

Dass dieser Film in Deutschland nicht in die Kinos kam, ist ein wenig verwunderlich, denn es kamen 2007 viel billigere Produktionen in die Kinos. Wahrscheinlich lief der Film Gefahr, extrem geschnitten in den Kinos anzulaufen, was diesen Streifen auf eine Kurzfilmlänge verkürzt hätte.


Dienstag, 8. August 2017

Wirdschaft




Die wahre Kreditwürdigkeit der Top-Schuldner laut nichtkorrupten Rating-Agenturen:




USA: Ramsch.


Japan: Karoshi.


Italien: Finito.


Frankreich: C´est la vie.


Deutschland: D.



Samstag, 5. August 2017

Zukunftsgeschichte




Die neun sich am schnellsten abschaffenden Länder der Welt mit dem hochgerechneten Abschaffungsjahr und dem finalen Abschaffungsgrund:


9. Niederlande: 2050 (Nach der erneuten Niederlage in einem Fussball-WM-Finale beschließen die Niederlande ihre Auflösung).

8. Kiribati: 2042 (Ein Flugzeug aus Nauru explodiert über Kiribati, das Gewicht der Passagiere verursacht einen Tsunami, der das Land wegschwemmt. In Mikronesien bleibt einer übrig, auf den Philippinen zwei).

7. Indonesien: 2040 (Beitritt zu Singapur).

6. Dänemark: 2039 (Überfall von 1.420.000.000 Protestierenden in der Neuauflage des Karikaturenstreits).

5. Estland: 2037 (Keiner kennt die Ursache, Finnland genießt und schweigt).

4. Polen: 2034 (Der letzte Pole wandert nach Island aus).

3. BRD: 2028 (Reaktorunfälle in Frankreich und Tschechien löschen die atomentwöhnte deutsche Bevölkerung innerhalb von 72 Stunden aus).

2. VR China: 2021 (der Nachholbedarf der letzten 100 Jahre an Freiheit wird gewährt und von allen sofort in Anspruch genommen).

1. Liechtenstein: 2017 (Atomkrieg Russland-USA, ein Fehlschuss).