Samstag, 25. November 2017

Kritische Filmkritik (6)





Was ist die Saw-Reihe? Torture Porn? Welches mediale Gross- oder Mittelereignis ist dies nicht? Und wenn nicht immer Torture, so stets Porn. Befriedigt Saw niedere Instinkte? Aber natürlich. So wie ein als Mordwaffe missbrauchtes Küchenmesser. Die Fragestellung danach, wie ein Gegenstand oder ein Kulturprodukt missbraucht werden kann, disqualifiziert nicht das Produkt, sondern den Fragesteller.

Was ist Saw? Saw ist Absolution. Die Intensität des struggle for life, welches in Saw 6 endgültig zu einem struggle for Vergebung geworden ist, erzeugt im Zuschauer unmittelbar keineswegs Schadenfreude - bei wem das der Fall ist, soll dringend zum Arzt - , sondern, sofern die Spiegelneuronen ihre Funktion einwandfrei erfüllen, ein unmittelbares Mitleiden und Mit-um-Vergebung-Bitten mit dem als Opfer missverstandenen Patienten.  

In einer Zeit, in der die Kirchen ein Anachronismus geworden sind, die Beichte lächerlich, die Seelsorge von der Psychotherapie ersetzt, sind neue Institutionen, neue Rituale, neue Sakramente unerlässlich. Saw hat den Nerv der Zeit getroffen, aber auch den Nerv moralversessener und moralvergessener Berufskritiker, die mit dem zugegeben bizarren Ersatz für untergegangene Rituale und Sakramente auch das Bedürfnis des Menschen nach Läuterung - welche ohne Schmerz eine bloss vorgestellte, keine wrkliche sein kann - leugnen oder unqualifiziert verurteilen, und dabei einer viel perverseren Entwicklung in die Hand spielen - der neue Mensch des globalen Cocacolakommunismus soll allein im Konsum Absolution finden, er soll Sonntags nach Schnäppchen jagen und keine bösen Filme gucken.