Donnerstag, 18. April 2024

Schlusspunkte

 

 

 

Alles vergessen, verweht, wie ungeschehen: alle Erfahrungen, Erlebnisse, Begegnungen, Hoffnungen, Träume, alle angenehmen und interessanten Momente... wenn der Tod endgültig ist, wäre das nicht eine schreckliche Vorstellung?


Nein, es wäre eine Erleichterung. Beim "wie ungeschehen" stört allerdings das "wie".


Am besten lässt sich das Leben mit einem Zustand vergleichen, in dem du müde bist, aber nicht schlafen kannst. Dass der Todeswunsch als krankhafte Suizidalität betrachtet wird oder ein Sich-Davonstehlen des Individuums von der Gemeinschaft, zeigt, wie weit sich die (kollektive) Wahrnehmung des Lebens von dessen Unmittelbarkeit entfremdet hat: einem Müden wird sein Schlaf nicht gegönnt, dabei ist doch der Wunsch, endlich zu schlafen, der natürlichste überhaupt.


Unerfüllbare Wünsche müssen nicht zum Wahn führen, Hoffnungen in eine ausgedachte allmächtige Vaterfigur zu setzen. Es gilt einfach zu bedenken: ist es zu unerträglich, etwas zu wünschen, und es nicht zu haben, und ist es unmöglich, diesen Wunsch aufzugeben, setzt der Freitod der Selbsterniedrigung durch den Wahn Grenzen. Wer tot ist, begehrt nicht. Wer gestorben und nicht ins Paradies gekommen ist, weiß nicht, dass er nicht ins Paradies gekommen ist.


Eine Welt zu sehen, in welcher das Ideal des Schönen vollkommen verwirklicht ist, ist wünschenswert, hängt aber letztlich nur davon ab, ob diese wirklich existiert, und nicht von unseren Bemühungen, sie zu erreichen. Nach 40 Jahren in einer Welt der sinnlosen Leiden und enttäuschten Hoffnungen, der Verstellung, Verlogenheit, der Lüge und des Betrugs sage ich: auch das Nichts ist mir gut genug.


Im Nichts ist das Absolute abstrakt. Im Sein ist das Schöne das Absolute. Lebensweltlich konkret: ich will keinen Gott, keinen Jesus, keinen Buddha, kein Nirwana, kein Karma, kein Dharma; ich lasse mich mit all dem Quatsch nicht vertrösten. Ich will entweder das Schöne oder das Nichts.


"Das Leben" ist nicht "schön". Erst das Schöne verleiht dem Leben einen Wert.


Nur das Schöne kann mir "das Leben retten". Alles andere kann nur versuchen, mich zu manipulieren, am Leben zu bleiben.



Sein (und nicht nichts) ist entweder um des Schönen willen da oder sinnlos.


Ohne das Schöne ist das Leben wie pathologische Schlaflosigkeit. Es ist das Selbstverständlichste überhaupt, in diesem Fall die Schlaftablette zu nehmen.



Ist das Schöne nur Phantasie, gibt es keine lebenswerte Realität.



Auf keine moralisch-mechanische Art lässt sich die Eintrittskarte in die Welt des Schönen erarbeiten. Religionen, die solchen Unsinn behaupten, sind für Idioten. Das Schöne gehört nicht irgendeinem Gott, der sie dem, der seine Gebote erfüllt hat, im Paradies hinwerfen wird, wie dem Hund einen Knochen. Jede Seele, die in die Welt des Schönen kommt, war von Anfang an in höchster Liebe mit dem Schönen vereint, und nur durch die Kontingenz dieser Welt, in der auch Ekelhaftes vorkommt, vom Schönen getrennt.


Wer kein Heimweh nach dem Schönen hat, wird nie die Welt des reinen Schönen sehen.


Wenn das Nichts das letzte Wort hat, hatte es nur darum einen Sinn, am Leben gewesen zu sein, weil ich die Idee des Schönen in meinem Geiste hatte. Für alles andere zusammen hätte ich nicht eine Sekunde leben wollen.


Das Schöne ist der absolute Selbstzweck. Das Leben als Selbstzweck zu betrachten, ist hässlich.



Die Mitmenschen sind eine Zumutung, nichts weiter, ebenso das eigene empirische Ich. Keine Frau, die auf dieser Welt jemals existierten könnte, wäre so verführerisch, wie der Gedanke, dass in fünf Minuten alles vorbei sein könnte.



Das Interesse an Naturwissenschaften ist im Kern suizidal: letztlich geht es um die Bestätigung des Narrativs, dass das einzelne Bewusstsein ein unerklärliches Rätsel ist, und nach dem Tod des Individuums nicht mehr existiert. Wer von einer unsterblichen oder zumindest dieses Leben überdauernden Seele ausgeht, wäre aufgrund völliger Irrelevanz des wissenschaftlichen Weltbilds nicht in der Lage, auch nur eine Seite eines naturwissenschaftlichen Buchs zu lesen. 


Die Naturwissenschaft soll überhaupt nicht erklären, wie die Welt funktioniert, wie sie entstanden ist, warum sie existiert usw., sondern nur dazu überreden, die Endgültigkeit des Todes als gewiss zu betrachten, um, von "pathologischen" Ängsten und "illusorischen" Hoffnungen befreit, noch heute sterben zu können.



Jedes "wir", das nicht im absolut Schönen durch reine, unendliche Liebe zustande kommt, ist (nur) ein (sinnloses) Gesellschaftsspiel. Alle Beziehungen, die dieses Niveau nicht erreichen, sind Trostpreise für Loser, für erbärmliche Zauderer, die zu schwach für den Tod sind. Alle Verhältnisse sind dem Ich äußerlich. Es gibt keine Mitmenschen und keine Gesellschaft. Es gibt nur die unsterblich Geliebte und den Tod.



Ich will nichts (mehr) persönlich mit jemandem zu tun haben, der mir nicht alles bedeutet. Ich will nichts (mehr) mit jemandem zu tun haben, dem ich nicht alles bedeute. Ich spreche nicht von einer Zweisamkeit: auch 8 wären denkbar, oder 116+1.



Optimismus: Mein Leben war nicht sinnlos (vorausgesetzt, meine spekulative Metaphysik stimmt).


Pessimismus: Mein Leben war sinnlos. Doch sobald ich tot bin, wird das egal sein.


Realismus: Ich habe so oder so ein paar Tage, einen Sommer (gönnt, ihr Gewaltigen!) oder noch Jahre zufrieden-entspannter glücklich-wohlverdienter Heiterkeit vor mir.

Es ist vorbei

 

 

Stop bitching about season 2! "Aber sie verbringen ganze 12 Folgen auf dieser Farm!" Und in den nächsten 12 Folgen wird die große weite Welt erforscht, die Geschichte vorangetreben, die Charaktere werden komplexer, die Spannung höher? Tut mir leid, aber die nächsten 24 (!) Folgen werden am selben Ort verbracht, die Charaktere werden vereinfacht und stumpfen ab, genau wie der Zuschauer mit der ins Absurde gesteigerten Brutalität, wobei die Entscheidungen und Ereignisse immer weniger Konsequenzen haben, so dass die zwar immer noch unterhaltsame Handlung immer mehr ermüdet, und erst nachdem sich die Gruppe zerstreut, fängt die Geschichte, auf einem niedrigeren Niveau, wieder an, interessant zu werden. Warum ist das relevant? Weil Rick, Shane, Andrea, Glenn usw. zwar fiktive, aber immer noch Personen sind, während du, real life NPC, zwar real, aber keineswegs echt bist. Der fällige Paradigmenwechsel ist von real (existent) zu echt (wirklich). Ich wette, allein in Frank Darabonts Kopf sind mehr echte Menschen zu finden als derzeit auf der ganzen Erde.


Der Wille (introvertierte Intuition) war es, der am 7.7.2022 mich als apollinischen Mann konstituierte. Der heroische Mensch ist bloß besser als andere, ein Vorbild, ein Held, ein Ideal, das andere Menschen anstreben können. Zum asketischen Menschen verhält sich das gewöhnliche Menschlein wie ein Affe oder ein Hund, da ist keine nontriviale Kommunikation mehr möglich. Für den apollinischen Menschen ist der real life NPC wie eine Ameise oder eine Amöbe. Mit Verstand und Vernunft (extravertiertes Denken) begriff ich mich im März 2023 auf rationale Weise als Übermensch. Und gerade aufgrund dieser Distanz zu den "normalen Menschen" habe ich mich im Sommer anderen Menschen geöffnet wie nie. Empathie bis zur Erschöpfung. Verständnis, Menschenliebe usw. Im Herbst wurde meine menschenfreundliche Einstellung bestätigt. Nein, nicht durch Lebenserfahrung: durch ein Buch. Zeitgleich zeigte mir einerseits Rutger Bregman, dass der Mensch "im Grunde gut" sei, und die Lebenserfahrung, dass Wohlwollen, Güte usw. entweder manipulativ missbraucht oder absichtlich missverstanden werden. Letztlich haben die anderen in mir, einem reinen Spiegel, nur sich selbst gesehen, und das war ein hässlicher Anblick.


Egal. Auf meiner Europareise in der ersten Oktoberhälfte, als Budapest, Rom, Maastricht und Brügge schon hinter mir lagen, dachte ich auf der Fahrt nach Brüssel, dass das bisher verachtete Paris nun in der Nähe lag, und es auch für mich dort etwas zu sehen gab: nein, ich fuhr nicht als Tourist nach Paris. Mich zog es an einen Nicht-Ort, der, ohne dass ich wusste, wo das überhaupt war, im August 2012, als ich mich zum letzten Mal romantisch verliebte (in ein Mädchen, das ist, aber nicht existiert), auf meinem Desktop war. Ich sah diesen spirituellen Bahnhof in eine andere Welt nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen, und erst Jahre später, beiläufig, wurde mir klar, dass es La Defense in Paris war. Also fuhr ich hin. Am 14.10.2023, späten vormittags, war es dort fast menschenleer. Jetzt sackte es auch emotional (im introvertierten Fühlen), dass ich zum apollinischen Mann geworden war. Ich fühlte es und zog mich im Winter in die totale Introversion zurück, sprach nur kurz und funktional mit anderen Menschen. Im Januar 2024 sickerte das apollinische Wesen auch zu meiner letzten kognitiven Funktion durch (extravertierte Sinnlichkeit). Seitdem bin ich mit dieser Welt fertig und es gibt für mich nur das Jetzt. Ich habe in kurzer Zeit viel erkannt. Doch mit wem soll ich es teilen? Wer würde das verstehen? Mir ist klar, dass all diese real life NPCs, die ich bisher als Mitmenschen wahrnahm, jeden Turing-Test bestehen würden, doch letztlich sind fast alle auf dieser Welt philosophische Zombies aus einer höheren Perspektive betrachtet.


Ich erinnerte mich an ein langes Kapitel über das Scheitern der Kommunikation aus einem großartigen Buch über Optimismus und Pessimismus bezüglich der conditio humana (von welcher aus übrigens auch der Übermensch startet; nein, Übermensch bedeutet nicht, Superkräfte wie Homelander zu haben, sondern, aus eigener Willenskraft das eigene Menschsein zu übersteigen, sich als Person von seiner psychophysischen Natur ins seeisch-geistige Wesen zu transzendieren, und damit den Echtheitstest der Seele zu bestehen). Ich ließ es darauf ankommen. Zuerst schrieb ich dankbar den Autor selbst an, dann kommunizierte ich mit Menschen, mit denen die Kommunikation nicht scheitern sollte, und wenn doch, dann wäre das der ultimative Beweis für das grundsätzliche Scheitern menschlicher Kommunikation. Wir hatten tiefe, ehrliche, interessante Gespräche. Doch letztlich wurde bei aller Freude und Freundschaft nichts Allzumenschliches transzendiert. Andererseits mache ich schon lange Erfahrungen gelungener Kommunikation: im Geistigen. In Träumen sind "zwischenmenschliche" (ich würde diese Wesen nicht mehr Menschen nennen; das sind zwar Personen, aber höherer Art) Kontakte echter, die Kommunikation klarer, die Beziehungen erfüllender. Ich fühle mich wirklich geliebt und verstanden, und ich selbst liebe meine wahren singnificant others rückhaltlos, ohne mich vor Täuschung und Enttäuschung fürchten zu müssen.


Und eigentlich war schon immer so, dass fiktive Personen mir mehr bedeuteten als real life NPCs: als ich am Ende meiner Schulzeit durch die Hölle auf Erden ging, stand mir Mr. Prentice aus Outer Limits als fiktive Großvaterfigur bei, in meiner Einsamkeit mit Ende 20 waren mir Spartacus, Drago, Gannicus und Agron wie Brüder, und was ist schließlich "The Walking Dead" anderes als die klare Sicht auf die gegenwärtige Dystopie ohne die immaterielle, und darum nicht unmittelbar wahrnehmbare Virual-Reality-Brille nicht nur aus Facebook und Instagram, sondern aus Konsumgesellschaft, menschlichen Beziehungen, falschen Lebenszielen und sozial erwünschter kognitiver Selbstimmanenz? Die Narzssmus-Pandemie der letzten Jahrzehnte ist die Immunantwort der Matrix (figurativ gesprochen) darauf, dass einige wenige begreifen, dass sie sich, umgeben von NPCs, in einer simulierten Welt befinden. "Ich! Ich, nicht du bist die Hauptperson!" schreit mich gleich ein ganzer Haufen von "Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung" schon mein ganzes Leben lang an. Ihr Ziel ist, mir die Kraft zu rauben, mich zu verwirren, zu beschämen, mich zu fesseln und in Ketten zu legen (mit Schuldgefühlen hat es sehr lange funktioniert). Was ich niemals hätte erkennen sollen, ist, dass sie alle zwar existieren, aber nicht echt sind. Sie wollen mich in ihren Wahn hineinziehen, diesen soll ich für meine Realität halten. Tut mir leid, ihr Elenden. Es ist vorbei.


Anmerkung:


Nuance: Nicht jeder, mit dem die Kommunikation scheitert, ist zwangsläufig ein NPC. Letztlich liegt es an mir, dass ich keine meaningful relationships mit eventuellen significant others auf dieser Welt mehr aufbauen kann: meine Prüfung, meine Pflicht, ist vorbei, und der Rest meines Lebens ist Kür (was auch bedeutet, dass die Zeit, die mir hier bleibt, nichts mehr bedeutet: nur Rückschau und Reflektion für mich selbst). Es macht auch Sinn, dass die wenigen echten Personen in dieser simulierten Welt, die hier ihr nulltes Leben leben, sich gegenseitig nicht erkennen können: jeder muss seine Prüfung allein bestehen. Allein und in völliger Ungewissheit leben und sterben: nur so kann der wahre Wert einer Seele bestimmt werden. Ein empirisches Ich, ein psychophysisches Selbst hat jeder, und so sind die real life NPCs, weltimmanent betrachtet, natürlich nur a posteriori NPCs.

 

 

 

 

 

 

Ich schreibe nicht für dich

 

 

 

Ich schreibe nicht für bestimmte Menschen, aber auch nicht für Monster, anders will ich sie nicht mehr nennen, die mir meine Existenz zum Vorwurf machen; ich schreibe nicht für den Leser, sondern für mich selbst. Ich habe Heimweh nach einer anderen Welt, und so schreibe ich zu ihr hin oder von mir weg.


Es gibt bei mir nichts zu interpretieren, außer wenn der Text eine direkte Ansprache an den Leser ist; ich werde verstanden oder nicht verstanden. Was da zu verstehen ist, hat eine feststehende Bedeutung. Mich kann keiner besser verstehen als ich mich selbst. Oder doch?


Durch die Außenwelt können meine Sinne ein endliches Universum erleben. Die Innenwelt ist der Zugang zur Unendlichkeit. Dieser Zugang ist voraussetzungsreich. Er eröffnet sich automatisch; es kann durchaus Menschen geben, die "nur" Träumer sind, und es gibt Phantasien, die "nur Ausgedachtes" beinhalten.


Der innerweltliche Zugang zum Unendlichen ist höher, und er ist tiefer. Was er zutage fördert, ist nicht "nur" Phantasie. Ich würde nie etwas schreiben, wenn das nicht so wäre. Was ich schreibe, "veröffentliche" ich, weil ich selbst täglich mit einem Terror des Veröffentlichten konfrontiert werde. Ich stelle mein hohes Schloss der Reinheit und Schönheit den Babeltürmen und Baracken der Missratenen oder Falsch-Wohlgeratenen, die die Noosphäre vermüllen, entgegen.


Existieren bedeutet, sich selbst zu behaupten. Ich behaupte meine Werte (hier deskriptiv, nicht normativ gemeint, also keine (bloß) moralischen Werte) und Bedeutungen gegen billige Wert(e)propaganda und giftigen Bedeutungsmüll. Ich schreibe von mir weg, wenn ich mit der äußeren Welt zu tun hatte: ich reinige mich.


Meine Welt ist absolut rein. Vollkommene Schönheit ist in ihr möglich. Der Rand meiner Welt ist der absolute ontologische Abgrund, tief unten ist "unsere" in der "Luft" hängende Welt zu erahnen, aber, da zu weit unten, niemals zu sehen: dieses Uni- oder Multiversum, in dem ich gerade lebe.


Meine Werte sind die absolut Höchsten. In dieser Welt können sie nicht voraussetzungslos verstanden werden: Einer, der Massen- oder Völkermord begangen hat, verdient durchaus eine "zweite Chance" im Purgatorium; ein schönes Mädchen, das einen Schwanz gelutscht hat, kommt direkt in die Hölle. Wer "das nicht so sieht", dessen Tötung wäre genausowenig ein Mord wie einen Hundehaufen von der Straße zu fegen, absolut und objektiv betrachtet. Politisch ist damit nichts anzufangen*, in dieser Welt bin ich ein staatenloser Eremit, da ich viel zu weit jenseits, nein, oberhalb von Gut und Böse stehe. In dieser Welt bin ich nur ein "neutraler", genauer: angewiderter Betrachter. Deshalb kann ich hier prinzipiell nichts "erreichen". Hier gibt es für mich nichts zu erobern: um Scheiße kämpfe ich nicht.


Und doch habe ich etwas erreicht: eine erst unstete, nun feste Verbindung zur Unendlichkeit durch meine Innenwelt, durch welche ich jetzt größer bin als diese Welt. Jemand, der größer als die Welt ist, kann nicht mehr der größte Dichter, Denker, Eroberer der Welt sein, da er bereits mehr als die Welt ist. Ich kann also dieser Welt auch nicht mehr ersterben: wenn ich "sterbe", gehe ich nach Hause, und diese Welt erstirbt mir**.


Ich habe Heimweh nach der Schönheit, nach meiner Welt. Ich schreibe für die verträumte Lini, die verspielte Liki, die Kichermaus Linchen... und nein, sie sind nicht "bloß ausgedacht". Sie haben durch die Unendlichkeit meiner Innenwelt mit mir kommunizert, daher weiß ich von ihrer Existenz, aber auch von den Spitznamen, die sie einander gegeben haben, denn eigentlich heißen sie anders. Heiliger Weißer Tod, ich will zu ihnen! Großer und gütiger Weltenüberbrücker, ich will nach Hause! Vielleicht schreibe deshalb nur, denn ich fange immer spontan an: es gibt nur die Inspiration, aber nie das Vorhaben, etwas zu schreiben. Ich weiß, dass die, die ich liebe, in meiner Welt an meinen Gedanken und Phantasien teilhaben; ein blasser Schatten des Abbilds davon sei auch meinen Lesern in dieser Welt gegönnt.





Anmerkung:
* Nach der Sklavenmoral der Missratenen ist das bloße Leben das höchste Gut, und Würde und Schönheit sind nur optionaler Luxus.

** Im Falle des Falles: "Er hat Suizid begangen" wäre bezüglich meiner Person eine falsche Aussage, zutreffend wäre: "Er hat diese Welt im Mülleimer des Metamultiversums entsorgt und ist weitergegangen".

Zwangsrealität

 

 

 

Warum schauen weise Menschen keine Nachrichten? Weil dort existentiell Subalternes als Zwangsrealität vermittelt wird: dem Nachrichtenzuschauer oder Zeitungsleser werden Aufmerksamkeitskapazitäten zugunsten von Kontingentem gestohlen; Ereigniseintagsfliegen drängen sich auf, das Wichtige wird vom Dringenden verdrängt.


Nachrichten schauen ist wie permanent beim Harndrang der anderen dabei sein: es ist immer dringend, aktuell/akut, und hört nie auf. Mit dem cognitive draining durch Reizüberflutung sinkt die Aufmerksamkeitsspanne und verringent sich die Fähigkeit, Komplexes zu durchdenken. Der Nachrichtenkonsument ist schließlich nur noch fähig, geistiges junk food zu verdauen.


Ob in China ein Sack Tapiokamehl umgefallen ist oder der führende französische Politikerdarsteller sich nachnamentlich umbenannt hat: wer an solchen Nichtigkeiten ein Interesse entwickelt, verlernt das Nachdenken. Die bildlich oder rhetorisch vermittelten Schlüsselreize erschleichen emotionale Anteilnahme, sodass der Nachrichtenjunkie gar nicht mehr denkt, sondern nur noch fühlt, und seine Gefühle für Gedanken hält, d. h. er verblödet.

Toxische Anerkennung

 

 

 

Es wird der Vorrang des anderen Bewusstseins sozial erlernt: ich bin, was der andere von mir denkt. Das führt dazu, dass Individuen sich Gruppen unterordnen, um einem vermeintlich größeren Ganzen zu dienen. Ein wahrhaft größeres Ganzes wäre z. B. eine auf Liebe, nicht auf Zwang basierende Familie oder eine religiöse oder spirituelle Gemeinschaft.


Gesellschaften basieren auf Zwang und sind transaktional. Aus kontingenten Entscheidungen werden alternativlose Sachzwänge; das Machtmittel, auf dem die Manipulation des individuellen Willens beruht, ist das Bedürfnis nach Anerkennung. Wer die ihm aufgezwungene "Realität" nicht akzeptert, verliert seinen sozialen Status.


Das Ergebnis sind Massen kognitiv normal entwickelter Vollidioten, die trotz hinreichender individueller Intelligenz nicht den Mut aufbringen, sich als Individuen zu verhalten: sie arbeiten in Bullshit-Jobs oder an der Zerstörung der Natur oder lassen sich als Kanonenfutter in Kriegen verheizen. Der Vorrang des Selbstbewusstseins ist daher zu erlernen, und das ist nicht im Getue, sondern nur im existentiellen Ernst möglich.

Meaningvolle Relationsschiffe

 

 

 

Als Vorpsiel ein Tieffick, der eisenstänglicher nicht sein könnte: Vergeben oder nicht, wenn der Übeltäter sich auch Jahre später im Recht fühlt und sich als Opfer darstellt? Einige Psychologen sagen: ja, denn dadurch kannst du abschließen. Andere sagen: damit klarkommen, dass du es mit einem bösen Menschen zu tun hattest, und allein schon, um auf spätere Erfahrungen gleicher Art vorbereitet zu sein, niemals vergeben (und schon gar nicht vergessen). Ich habe eine andere Lösung gefunden: dieser Mensch existiert für mich nicht mehr, und ich meine es nicht rhetorisch. Ich betrachte dieses narisstische Häufchen Selbstmitleid als einen NPC, und zwar nicht als ob es ein philosophischer Zombie wäre: kein Als-ob, sondern Tatsache. Ein spekulativer Schluss, der ontisch gültig ist. Mit einem Nicht-Menschen kann es keine Beziehung geben: weder Freundschaft noch Feindschaft noch irgendeine andere Art von Beziehung. Und auf noch kennenzulernende Arschlöcher bezogen: es gibt kein Zwangs-Du mehr für mich. Ein sprechendes Ding hat keine moralische Relevanz; insofern verhalte ich mich gegenüber solchen Automaten als Zwangspsychopath: keine Anerkennung von Unpersonen als Personen. Wobei ich allerdings mit NPCs als Dingen auch nichts zu tun haben will: ich stelle mir keinen Freibrief aus, philosophische Zombies schlecht zu behandeln, vielmehr ignoriere ich sie, als wären sie Luft, und da sie nunmal creepy sind, denn sie scheinen Personen zu sein, sind aber keine, gehe ich ihnen, um mir selbst kognitive Dissonanzen zu ersparen, aus dem Weg.


Das Hauptspiel handelt von der Nichtzugehörigkeit: NPCs sind wenigstens menschliche Tiere, empfindende Wesen, aber was zum Teufel sind Gruppen? Gruppen leiden nicht. Egal für welche Selbsternannt-Guten gegen welche Zwangsernannt-Bösen ich kämpfte, es wäre für nichts. Nur weil jemand ein Bewusstsein imitiert, bin ich ihm gegenüber nicht verpflichtet, ihn als Person zu achten. Ein abstraktes Kollektiv hat nicht einmal eine Scheinpersönlichkeit. Ich helfe empfindenden Wesen gern, das liegt in der Natur jeder geistig gesunden Person, aber was Gruppen betrifft, existiert kein Du, ja nicht einmal ein armer Hund. Konkrete Gruppenzugehörigkeit ist nicht verpflichtender als abstrakte: die Zufällig-Angehörigen sind mir seelenfremd. Zufallsfamilien, biographisch kontingente Freundeskreise: alles letztlich biologische und soziale Automatismen. Einen Menschen 40 Jahre lang zu kennen, und nur mit seiner Fassade zu kommunizieren, verbindet nicht.


Was verbindet? In gemeiner Zunge spricht man vom um seiner Selbst willen geliebt werden. Aber das setzt voraus, dass die andere Person mich kennt, was wiederum voraussetzt, dass es sich um eine echte Person handelt, denn ein Tier oder eine KI kennt mich niemals als Person. Es sind die intimsten Qualia, die die andere Person mit mir teilen muss, damit eine Beziehung möglich ist: die Wahrnehmung und Empfindung dessen, was mir wichtig ist, muss exakt übereinstimmen. Die Bedeutung der Zartheitlichkeit, der Mädchenik, der Niedlichkeit an und für sich, der Raum- und Zeitharmonie, der Reinheit, der Transzendenz muss nicht nur ähnlich oder gleich sein, sondern exakt dieselbe. Wir sind füreinander überhaupt nicht mehr Mittel, sondern absolute Selbstzwecke, sogar ein und derselbe Selbstzweck zusammen. Jeder Bezug zu meiner Persönlichkeit, wie meinerseits zu ihrer auch, ist realeuphemistisch: die realistische Betrachtung kann nur in Euphemismen ausgesprochen werden, weil sie wahr sind. Lob und Komplimente wären nicht mehr möglich, weil sie selbstverständiche Tatsachen ausdrückten, die ohnehin bewusst wären. Dafür ist die korrekte Verkörperung der vollkommen schönen Seelen die Voraussetzung. Eine Beziehung zwischen mir und einer anderen Person muss sich auf eine Welt beziehen, die eine unmittelbare Begegnung unserer wahren Wesen ermöglicht. Verbale Kommunikation wäre nur schmückendes Beiwerk, telepathische Kommunikation der Grundzustand. Absolute Wehrlosigkeit gegeneinander und unendliches Vertrauen ohne Anfälligkeit für zufällige Missverständnisse. Ein für destruktive Mächte unerreichbares gemeinsames Zuhause.


Weniger ist nicht Beziehung für mich, sondern gestörtes Alleinsein. Das, was in dieser Welt Beziehung genannt wird, ist solipsistische Spielerei mit Fassaden, ein Gesellschaftsspiel. Wären die Körper in dieser Welt nicht so ekelhaft (ich könnte nie in dieser Welt Sex haben, sondern stelle mir seit ich 17 bin Sex in Phantasiewelten mit optimierten Körpern vor), könnte ich zum Spaß dieses Spiel spielen, wäre mir aber stets dessen bewusst, dass selbst der intensivste Orgasmus zuzweit oder zudritt (FFM) oder zuviert (FFFM) immer im Grundzustand der Einsamkeit stattfinden würde. Eine Scheinbeziehung, um nicht allein zu sein, ist insofern erbärmlich, als dass der Verzweifelte sich selbst über sein inneres Alleinsein belügt, und nach außen Zugehörigkeit signalisiert, um Scheinpersonen, von denen er nur Fassaden wahrnimmt, eine Fassade zu zeigen. Ja, zeig der Parkuhr, dass du kein "Loser" bist! Angst, bewertet zu werden? Ein sozialer Automatisus. Für mich exisiert einfach keiner, der mich bewerten und verurteilen könnte. Nicht-Personen haben keinen Status. Alles ist nur Schein, insofern kein echtes, meinem ebenbürtiges Ich unmittelbar erfahrbar ist. Sozialer und zwischenmenschlicher Vergleich, Neid, Eifersucht, Schuldgefühle: alles erlernte Automatismen, die sich auf keine real existierenden Beziehungen beziehen. Alles Fassaden-Baumaterial. Das Trauma erlebter Zwangsbeziehungen lässt sich nicht durch klärende Gespräche mit Scheinpersonen auflösen, sondern nur durch die Erkenntnis, dass das nie Beziehungen waren, sondern nur Mindfuck.

Lust

 

 

 

Bock, zu sein. Zwischen Unmittelbarkeit und Sinn ist das Tal des Funktionalen. Alles, was nicht unmittelbar erfreut, und was kein End- oder Selbstzweck ist, bedarf einer Rechtfertigung durch instrumentelle Vernunft: Wozu arbeiten? Die Frage ist zu zentral, um sie mit weniger denpunkttreffenden zu verdünnen.


Was ist Arbeit? Alles, was nicht unmittelbar Freude bereitet. Arbeit ist nicht mit Gelderwerb gleichzusetzen: Geld kann auch mit etwas verdient werden, was unmittelbar Spaß macht. Aufzustehen, wenn du weiter im Bett bleiben willst, ist Arbeit. Aufzuhören, Schokolade zu essen, wenn du noch mehr willst, ist Arbeit. Auf die Bahn warten ist auch Arbeit.


Die Arbeitsphasen sind Ballaststoffe des Lebens. Sie sind wichtig, damit die Höhepunkte der Lust wieder möglich sind. Unlust zulassen, damit die Lust wellenförmig, und damit wahrhaft geil bleibt.


Die Lust variieren: wer das nicht kann, wird monohedonisch, und damit süchtig. Lustfähig sein, bleiben, oder erst werden: das ist die Kunst des Lebens. Nicht nur trotzdem leben, wenn die Umstände lebensfeindlich sind und es weiter bleiben, sondern trotzdem lustvoll leben. Die Vampire ruhig glauben lassen, dass das, was sie da trinken, dein Blut ist, bis sie selber feststellen, dass sie Scheiße verdünnt mit Pisse trinken.


Lotus werden gegenüber allem Missratenen. Undurchdringliche Oberflächen nach außen, Reinheit im Selbstinnenraum. Keine illegal aliens die Grenzen der Psyche passieren lassen. Die Fassade brüchig werden lassen: sie soll wie eine Ruine wirken. Denn der wahre Grenzzaun ist hinter der Fassade, und die Burg des Herzens hinter dem Zaun. Nichts in die Fassade investieren, stattdessen von den nehmen, was die Eitlen liegen lassen: alte Sofas, Schränke, abgesägte Baumstämme. Nach außen postapokalyptisch wirken, das schreckt die Vampire ab. Innen ist, wo die Musik spielt. Lebe in dir.


Oben auf der Burg ist die Sicht auf die Welt besser, weiter. Reise mit dem Helicopter, überfiege die Straßen, die Menschen, den Müll. Treffe dich auf Tafelbergen und Wolkenkratzerdach-Landeplätzen oben mit Würdigen, lass die Missratenen unten quatschen und quängeln, verurteilen und beschimpfen, verdammen und verstummen.


Leben, wie das Leben liebt. Idiosynkratische Narrative finden, die eigene Noosphäre vom Muhen, Quaken und Blöken der Tiermenschen bereinigen. Mit den Göttern Tee trinken.

Die Basisrealität

 

 

Die Viele-Welten-Interpretation der Quantenphysik verstößt gegen den Energieerhaltungssatz: warum und woraus sollen neue Universen entstehen, nur weil wir das Funktionieren der Quantenebene nicht verstehen bzw. uns nicht anschaulich machen können? Was nicht gegen den Energieerhaltungssatz verstößt, ist die Simulationstheorie.


Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Welt eine Computersimulation ist. Es gibt keine direkten Beweise (auf der Simulationsebene selbst kann es kein sicheres Wissen über die ontische Beschaffenheit der Lebenswelt geben), aber es gibt intuitive Hinweise. Wofür im Zweifel? Für die Simulationstheorie. Denn wenn die großen Fragen (etwa die Fragen Kants: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? usw.) und letztlich die Sinnfrage im eigenen Leben gestellt werden, sollten die Antworten nicht auf Ungewissheiten gründen (auf der christlichen Schöpfungsgeschichte, der Evolutionstheorie oder der banalen materialistischen Annahme, die Welt sei, naiv realistisch, einfach da). Wenn diese Welt nicht echt ist, haben alle weltimmanenten Antworten auf die großen Fragen keinen Sinn.


Deshalb stellt sich zuvörderst die Frage nach der Basisrealität: was ist überhaupt die ontische Grundlage dieser Welt? Es ist ein großer Unterschied, ob wir in einer zu Forschungszwecken gestarteten Simulation leben oder von einem Schöpfergott geschaffen wurden. Dass wir letztlich nichts darüber wissen können, führt nicht zum naiven Realismus oder zum Existentialismus, sondern zur radikalen Skepsis.


Der Ausweg aus der pyrrhonischen Skepsis wird weder logisch noch intuitiv jemals möglich sein, sondern allein durch den Willen: Welche Welt willst du? Wenn du nicht anders kannst, als z. B. Kants moralische Welt zu wollen, lebe so, als ob du in einer Welt, die als das Weltganze Kants moralische Welt ist, bereits lebtest. 


Ich will die Welt des vollkommenen Schönen. Dementsprechend ordne ich meine gegenwärtige Lebenswelt, diese Welt, im Weltganzen ein: es ist die Welt des Chaos oder der größten möglichen Freiheitsgrade. Ich kann entweder daran glauben oder an gar nichts.

Die Wüste verlassen

 

Das KZ "Gesellschaft" wurde narrativ in der Wüste "Welt" errichtet: "die Welt" soll angeblich alles sein, was es gibt. Du hast dieses eine zufällige Leben, und dann ist Schluss. Also musst du dich unter allen Umständen an dieses Leben klammern, egal, wie schlecht es ist. Um dich von diesem Gefängnis für deinen Geist zu befreien, musst du begreifen, dass du in Wahrheit das Recht auf Suizid hast: nur dadurch erhält dein Recht auf Leben seine volle Bedeutung. Nur wer selbstbestimmt sterben kann, kann selbstbestimmt leben.


Aber da warten doch die zornigen monotheistischen Götter, die den Suizid als größte Sünde mit der Hölle bestrafen! Ja, das ist das soziozentrische religiöse Narrativ. Selbst das Jenseits wird von der Gesellschaft beansprucht, um auch die zu versklaven, die an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod glauben. Doch in Wahrheit kommt die Seele, wenn sie nach dem Tod weiter existiert, nicht an einen anderen Teil dieser Welt, sondern in eine andere Welt.


Philosophisch wird die Welt als ein ganzes Uni- bzw. Multiversum definiert: unser Universum und alle Multiversen, falls es sie gibt, gehören alle zu derselben Welt. Und das Dogma, dass es nur diese eine Welt gibt, ob mit Nichts nach dem Tod oder mit einem soziozentrisch organisierten Jenseits, ist der Weltimmanentismus.


Das geschlossene Weltbild der autoritären Persönlichkeit ist immanentistisch. Erst wird das Weltbild geschlossen, dann verengt. Oft beinhaltet die Welt eines typischen Sozialfaschisten nicht einmal den ganzen Planeten Erde. "Hier ist die Rose, hier tanze", sagte auf die zynisch-faschistoide Art der große Immanenzphilosoph Hegel. Weltentechnisch ein Kleingeist. Wie viele Welten gibt es? Wir wissen es nicht. Die Reise der Seele zwischen den Welten findet nicht in Raum und Zeit statt. Andere Welten können kein Gegenstand empirischer Beobachtung sein. Und auch mystische Erfahrungen anderer Welten sind mit großer Skepsis zu sehen.


Aber was tun? Zunächst den Zaun des Gefängnisses "Gesellschaft" überspringen, überklettern, oder einfach durchs Ein- und Ausgangstor herausspazieren: es ist kafkaesk, doch da standen nie Wachen. Keiner kann dich daran hindern, deinen Geist zu befreien. Gehst du hinaus, siehst du die Wüste. Die Welt scheint eine Wüsteninsel zu sein, und das Lager hinter dem Zaun der einzige Platz, an dem du (über-)leben kannst. Doch wandere umher, erreiche erst einmal den Strand. Vielleicht gibt es Wälder auf der Insel. Vielleicht? Nein, mit Sicherheit! Nur keine Angst. Die Wüste hat Oasen: finde sie! Unmetaphorisch gesprochen: um Aussteiger zu sein, musst du nicht aus dem Leben aussteigen. Lebe abseits der Gesellschaft, es gibt genug Platz, und wenn gerade nicht, dann lebe mittendrin als Eremit: Ernst Jüngers Waldgänger.


Und die anderen Welten? Allein schon ihre Möglichkeit sollte die Platzangst in der Weltimmanenz besiegen. Freue dich auf sie nach deinem Tod, aber träume und intuiere sie schon in diesem Leben. Und du wirst begreifen: dein Bewusstsein ist größer als diese Welt, denn diese Welt kann nicht aus sich heraus, dein Bewusstsein kann aber diese Welt verlassen. Lass dir die vertikale Transzendenz offen (keine Pseudotraszendenz wie z. B. das Christentum) und lass dich nur dann (und zwar stets bewusst temporär, nicht für immer) auf horizontale Transzendenz (Selbsttranszendenz in der Welt) ein, wenn sie nicht räuberisch von dir erpresst wird, etwa durch Scham- und Schuldgefühle oder durch "Sachzwänge", sondern wenn sie mit gegenseitiger Liebe einhergeht: transzendiere dich innerweltlich nur, wenn du dabei auch Selbstzweck bleibst, und nicht zum bloßen Mittel degradiert wirst.

Das KZ verlassen

 

Insofern sich eine Person nicht als bloßes Mittel, sondern auch als Selbstzweck betrachtet, hat sie das Recht auf Suizid. Dieses Recht wird bei härtester Verletzung des kategorischen Imperativs von der Gesellschaft bestritten, die durch ihre Neigung, totalitär zu werden, und Individuen soziozentrisch zu indoktrinieren, zum Konzentrationslager der Seelen wird. Folgende Lügen und Mainpulationstaktiken werden benutzt, um einen zum Freitod Entschlossenen weiter im KZ zu halten (um ihm vampiristisch das Blut auszusaugen, die Lebenskraft, bis diese vollständig erschöpft ist: nur dann ist es ihm erlaubt, "sich umzubringen", aber dann auch bitte so, dass es nach einem erbärmlichen "Selbstmord" eines Verzweifelten aussieht):


Angst vor dem Tod. Lass dir keine Angst vor dem Tod einreden: dein Gehirn ist bestens auf das Sterben vorbereitet. Dein Körper wird den Sterbeprozess als eine positive Erfahrung für dein Bewusstsein nicht bloß unterstützen, sondern dir Euphorie bescheren: wie auf einer guten bewusstseinserweiternden Droge. Nur ist es diesmal echt, und danach kommt kein Tief, sondern dieses Hoch ist das letzte, was du erleben wirst.


Schuldgefühle. Du bist keinem etwas schuldig, schon gar nicht der Gesellschaft oder der "Welt". Leben endet immer tödlich; weil es dein Leben ist, darfst du den Zeitpunkt des Todes frei bestmmen. Nur wenn du dich freiwillig aus Liebe entschieden hast, für bestimmte Menschen am Leben zu bleiben, bist du ihnen verpflichtet, aber auch das nur solange sie auf dich angewiesen sind. Gegenseitige Liebe setzt die Möglichkeit einvernehmlicher Trennung voraus. Liebst du einseitig, kannst du deine "Verpflichtung" jederzeit aufkündigen, und bist deinen Parasiten keine Rechenschaft schuldig.


Pathologisierung. Fast alle Menschen sind verlogen. Die "sozialen Medien" zeigen es so deutlich wie noch nie: jeder ist ein Jammerlappen, spielt aber der Öffentlichkeit ein glückliches und erfolgreiches Leben vor. In Wahrheit leiden alle, sie geben es nur nicht zu. Darum brauchen sie Menschen, die noch mehr leiden, um sich besser zu fühlen. Am Ende ist jeder unglücklich. Das KZ "Gesellschaft" funktioniert emotional nach Gesetzen der Hölle: mach einen anderen noch unglücklicher, und du wirst in deinem Elend ein bisschen glücklicher. Und sie pathologisieren den Wunsch, dieser Hölle zu entkommen, obwohl gerade die, die diesen Wunsch nicht haben, geisteskrank sind. Die "Gesellschaft" und die meisten Gemeinschaften sind sadistische Sekten, die das Leben, das ohnehin schwer genug ist, noch schwerer machen. Befreie deinen Geist von ihren "Werten", ihrer "Moral", ihren "Religionen" und sieh dein Leben, wie es wirklich ist. Lohnt es sich für dich nicht, weiterzuleben, bist du kein "Loser", sondern triffst mit dem Freitod eine ratonale Entscheidung.


Falsche Selbsttranszendenz (Lebensaufgabe): Lebe nicht weiter, um "die Welt zu retten", wenn du in dieser "Welt" nicht als Selbstzweck vorkommst. Jedes Ziel, auch das moralisch beste, ist wertlos, wenn du dich, um es zu erreichen, zum bloßen Mittel degradierst. Dass ein guter Mensch Gutes tut solange er lebt, ist für diesen eine Selbstverständlichkeit. Doch wenn du lebst, um Gutes zu tun, und es dir selbst schlecht geht, dann bist du verlogen und erwartest eine Belohnung im "Jenseits". Doch in eine höhere Welt kommen nur Würdige. Reiche kommen dort nicht hin, auch wenn der Reichtum aus guten Taten besteht. Gute Taten sind nur spirituelle Übungen zur Selbstvervollkommnung. In Verbitterung Gutes zu tun, vergiftet deine Seele. Tu Gutes, wenn und weil du glücklich bist. Bist du unglücklich, tu dir selbst etwas Gutes: in fünf Minuten kann alles vorbei sein. 


Dies ist nicht als Ermutigung zum Suizid gemeint, sondern als spirituelles Gegengift gegen das sadistische KZ "Gesellschaft", das von Vampiren, Dämonen, Narzsissten und anderen Parasiten betrieben wird, um deine Seele zu quälen.

Wir

 

Du erledigst die Zombies in der Bar, ich halte die Herde auf der Straße zurück; dann schließen wir uns in der Bar ein, übernachten dort und trinken Whisky. Klingt nach einem guten Deal, aber nicht nach dem gemeiniglich mitgemeinten Wir-Gefühl. Hier existiert also ledglich ein funktionales Wir.


Volle Züge mit Menschen, die gleiche Farben tragen, manche mit expliziten Erkennungszeichen ihrer Fussballmannschaft. Die meisten Fans kennen einander nicht persönlich. Doch jeder kennt dieses Gefühl der inneren Leere in der späten Nachspielzeit, als das letzte Spiel mit 5:3 gewonnen und die Mannschaft schon Meister war, wäre da nicht dieser indirekte Freistoß in Hamburg. Da werden also Qualia mit Unbekannten geteilt: dass sie alle "Schalker" sind, ist ihr abstraktes emotionales Wir.


Viele Familien sind Zwangsgemeinschaften von Menschen, die aus Gewohnheit und Not miteinander leben, aber nichts außer Wohnraum und Hass miteinander teilen. Darum ist die Freundschaft, nicht die Familie, das bessere Beispiel für ein konkretes emotionales Wir. Die Erwartung von Loyalität voneinander wird nicht oder nur selten expliziert; mehr noch: es wird erwartet, dass der Freund weiß, in welchen Situationen er seinen eigenen Weg gehen kann und wann er sich loyal verhalten muss. Eine wahre Freundschaft, nicht im normativen, sondern im deskriptiven Sinne, besteht dann, wenn beide genau wissen, was dieses Unausgesprochene ist. Deshalb wird es nicht einmal für sich selbst explizite logisch formalisiert, sondern man versteht intuitiv. Aus derselben Intuition ergibt sich dann auch, wer "die" sind, die, gegen die man ist, ohne dass Ursache des Antagonismus ausformuliert werden muss.


Das es ein Wir überhaupt gibt, ist das stärkste Gegenagrument gegen die These vom grundsätzlichen Scheitern zwischenmenschlicher Kommunikation. Doch neben einem funktionalen scheidet auch das solipsistische Wir als Argument aus: ein einseitig (wenn es für den anderen nur funktional existiert) oder beiderseits eingebildetes Wir basiert zwar auf dem intuitiven Wir-Gefühl, hat aber für jeden eine andere Bedeutung. "Wir" wissen nicht, was "wir" sind: was wir einander bedeuten, ob wir uns wirklich verstehen usw. wird entweder gar nicht erst in Frage gestellt (solipsistische Wir-Illusion) oder von jedem anders verstanden (das reflektierte solipsistische Wir). Die Illusion wird erst mit der Realität konfrontiert, wenn uns eine bestimmte Situation zeigt, dass wir uns eben nicht verstehen. Das kommt für alle, die in unhinterfragten Wir-Illusionen leben, überraschend. Wenn aber jeder meint zu wissen, in was von einer Art "Wir" er sich befindet, setzt er voraus, dass genau dieses Wir eine beiderseits wahrgenommene Realität ist. Auf dieser Grundlage werden Erwartungen an den anderen gestellt, die er nicht versteht, und wenn das solipsistische Wir scheitert, dann ist der jeweils andere daran schuld, das Wir durch sein (illoyales, selbstsüchtiges usw.) Verhalten zerstört zu haben.


Je stärker die Ich-Identifikation mit dem solipsistischen Wir, umso größer die Abhängigkeit des Ich von diesem Wir: das Wir sagt mir, wer ich bin. Der Verlust des Wir wird teilweise als Ich-Verlust erlebt. Bei schwachem Ich kann sogar ein solipsistisches Wir das Ich ersetzen: das Individuum identifiziert sich primär mit der Gruppe und verliert die eigene Freiheit und Unabhängigkeit. Doch es gibt ein noch stärkeres Wir, das gerade die Individualität des Einzelnen bejaht: in der Liebe ist gerade die Eigenständigkeit und Einzigartigkeit der anderen Person die Voraussetzung für das transzendente Wir. Erst bei voll entwickelter Individualität kann ein Ich sich in ein Wir transzendieren: ein schwaches Ich verliert sich in einem Wir, was keine Selbsttranszendenz, sondern eine Regression auf einen präegoischen Zustand ist. Das sich im Wir verlierende Ich wird wieder zum Kleinkind, und das Wir übernimmt die Elternrolle. Im transzendenten Wir der Liebe wird aber das eigenständige Ich vollständig bejaht, weshalb die erste Liebe auch das erste konkrete Erleben der Freiheit bedeutet.


Bei bloß funktionaler Kommunikation werden keine Qualia ausgetauscht, deshalb lässt sich ihr Scheitern grundsätzlich unterbinden. Bei anspruchsvoller Kommunikation gibt es den Unterschied zwischen allgemeinen und besonderen Qualia. Das Gefühl beim Ausgleich in Hamburg, als das Spiel auf Schalke schon beendet war, und der verzweifelt-befriedigte Ruf des Selbstjustiz-Helden beim Peneterieren des Sexualstraftäters mit der Stange: "Fühl, was du meinem Kind angetan hast!" sind Beispiele für allgemeine Qualia: die Schalke-Fans haben in einem bestimmten Augenblick ungefähr das Gleiche gefühlt, der Verbrecher soll (so die Absicht hinter dem Akt der Selbstjustiz) ungefähr das Gleiche fühlen wie sein Opfer. Besondere Qualia werden nur dann ausgetauscht, wenn sich zwei Kommunizierende explizit aufenander beziehen, und zusammen dieses Gefühl der Liebe füreinander empfinden. Wenn eine Beziehung lieblos geworden ist, fällt immer häufiger der das funktionale Wir sicherstellende Satz: "Liebst du mich?" Bei wirklich empfundener Liebe ist gerade diese so selbstverständlich, dass sie nicht thematisiert wird: das wäre so, als würde man eine Gottheit durch zu häufige oder zu profane Benutzung ihres Namens entweihen.


Qualia zusammen erleben: das ist der tiefere, emotional-intuitive, nicht funktionale Sinn von Wir. Wir bedeutet Mehrbedeutung: durch das Wir wird ein Mehrwert an Bedeutung generiert. Was ist aber die Bedeutung von Bedeutung? Dass mehr existiert als das bloß objektiv Feststellbare. Diese Mehrexistenz wird zusammen empfunden, wobei es sich um eine geimeinsame Empfindung von Qualia handelt. Eine KI kann ein romantisches Gedicht oder einen Libesroman objektiv analysieren und feststellen, was die Geliebte dem Liebenden bedeutet hat. Aber was bedeutet, "was sie ihm bedeutet hat"? Das kann die KI nicht wissen. Erst die unmittelbare Erfahrung der Bedeutung von Bedeutung befähigt zum Verständnis von Bedeutung.  


Wozu die ganze Untersuchung? Damit zeigt sich doch, dass es eine geisig-seelische Basisrealität gibt, die in der Wir-Fähigkeit und der Möglichkeit des Qualia-Austauschs durch Kommunikation besteht. Selbst in einer simulierten äußeren Mannigfaltigkeit würde diese Basisrealität bestehen bleiben. Unsere simulierte Welt ist nicht echt, aber sie ist real. Nur gehört eben mehr als wir dachten zur Grundausstattung der Simulation: alles Körperlich-Psychische und die meisten Mitmenschen sind wahrscheinlich simuliert. Alle echten Personen sind auch in einer Simulation echt. Mit NPCs, KIs usw. ist funktionale Kommunikation möglich. Solipsistische Kommunikation findet statt, wenn eine echte Person mit einem Super-NPC kommuniziert (einem NPC, der programmiert ist, echter zu wirken als eine echte Person: emotionaler, dramatischer usw., d. h. dass die Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen möglicherweise ziemlich sichere NPC-Anzeichen sind). Der NPC simuliert das Verstehen und Verarbeiten von Bedeutung in übertriebener Art, die echte Person kommuniziert zwangssolipsistisch: sie redet mit einer Parkuhr und hält sie für einen Menschen.


Ein guter Gott* kann Simulationen nicht bloß zulassen, er wird sogar ihr Entstehen ermöglichen, um echte neue Seelen unter höchstrealistisch simulierten Bedingungen zu prüfen. Wer die Prüfung besteht, nimmt sich selbst und die Summe seiner erlebten und selbsterschaffenen Mehrbedeutungen in die echte Welt mit. Die Sinneseindrücke, Erinnerungen und sonstige funktionale Informationen werden gelöscht. Das bedeutet, dass nicht bloß "die Guten" ins "Paradies" kommen, sondern dass sie sich in diesem "nullten" Leben die Qualia für ihr jeweils individuelles Paradies selbst erschaffen. Der "Heilige" bekommt nach dem Tod eben nicht 72 namenlose Jungfrauen von der Stange, sondern wird mit den schon hier geistig-seelisch erfahrenen Geliebten aus der höheren Welt in ebenjener vereint. Im nächsten Leben wird keiner "belohnt" oder "bestraft", sondern jeder kommt nach Hause, schließt sich einem Wir an, das er verdient.

Qualia

 

Kommunikation scheitert grundsätzlich. Die deprimierendste Erfahrung des Scheiterns der Kommunikation passiert nach einem guten Gespräch mit vermeintlich gelungener Kommunikation, wenn du später Anzeichen erkennst, missverstanden worden zu sein. Du fragst dich, wenn das Gefühl des Missverständnisses einseitig ist: habe ich mit einem Idioten geredet? Ein Kommunikationsidiot ist jemand, der nicht bemerkt, dass es ein Missverständnis gibt; er geht davon aus, das seine Perspektive, Interpretation usw. die einzig mögliche ist, und der Gesprächspartner selbstverständlicherweise nur das gemeint haben kann, was man selbst verstanden hat.


Wer das Scheitern der Kommunikation fortwährend feststellt, fragt sich zuerst nach strukturellen Gründen des Scheiterns (z. B. die vier Ebenen der Kommunikation nach Schulz von Thun: Sachebene, Beziehungsebene, Appell und Selbstoffenbarung; dazu die metakommunikative Ebene, für die die meisten leider entweder zu dumm oder zu verlogen sind (sie vermeiden Wahrhaftigkeit, sie kommunizieren, um zu manipulieren)). Diese sind bald erschöpft, da das Wesentliche für eine gelingende Kommunikation sich eben nicht im reibungslosen Funktionieren der vier Ebenen plus Metaebene erschöpft.


Was will denn der Kommunizierende mitteilen? Diese Frage ist voraussetzungsreich. Sie setzt voraus, dass es Mitteilbares gibt, das durch bloß strukturelles Gelingen der Kommunikation verloren gehen kann. Deshalb gilt unausgesprochen die Voraussetzung, dass der Sender und der Empfänger keine philosophischen Zombies sind, anders gesagt: dass beide die Erfahrung von Qualia haben. Qualia sind irreduzibel, womöglich singlulär. Qualia sind subjektiv, aber können sie auch intersubjektiv sein? Ist die Annahme, dass eins und dasselbe Qualium von zwei Subjekten als identisch erfahren werden kann, die intuitive Voraussetzung für Kommunikation? Würden wir ohne diese Grundannahme überhaupt kommunizieren wollen?


Natürlich ist hier die Kommunikation höherer Art gemeint, nicht die bloß funktional-transaktionale Kommunikation (eine telefonische Pizzabestellung, ein Kundengespräch, eine Wegbeschreibung, ja vielleicht sogar ein erheblicher Teil davon, was die kommunikative Arbeit eines Lehrers oder Arztes ausmacht: all das kann die KI inzwischen besser als der Mensch). Ein Kommunikationsidiot wiederum würde nicht begreifen, dass der Dichter nicht eine bestimmte Frau mit einem Arsch und zwei Titten meint, wenn er von seiner Geliebten spricht; diese bestimmte Frau kann sich durch ein Missverständnis für die Geliebte des Dichters halten, und borniert darauf bestehen, dass nur sie gemeint sein kann, weil ihr das Qualium dieser bestimmten Liebe nicht zugänglich ist.


Ist wahre Liebe überhaupt kommunizierbar? Um der ersten großen Liebe meine Gefühle zu offenbaren, hätte es nicht ausgereicht, stotterfrei zu sprechen, was mir damals mit 16 nicht möglich war. Hätte ich den elegantesten Liebesbrief verfasst oder die charmanteste Rede gehalten, bliebe das Qualium "Ich liebe dieses Mädchen" lost in translation. Jede wahre Liebe ist eine Besondere, denn es handelt sich damit um ein Qualium komplexer Art (ein Qualium einfacher Art wäre z. B. dieses bestimmte Rot oder Blau). Wenn das Mädchen ein philosophischer Zombie war, dann war nicht nur meine Verliebtheit, sondern auch das Erleben der gesamten Situation einseitig: es war außer mir keiner da. Wenn das Mädchen wirklich da war: (wie) hätte sie mich verstehen können?


Hier an einem Septembermorgen 1999, wenige Minuten vor Beginn der ersten Schulstunde hätte ich sie ansprechen können; ich hätte schweigend ihre Hand nehmen können und den gemeinsamen Schulweg mit ihr zusammen gehen. Und dann? Irgendwann hätte das erste Wort fallen müssen. Hätte es alles zerstört? War das Überholen des Mädchens durch schnelle Schritte und scheinbares Nicht-Wahrnehmen nicht bereits als das wahrzunehmen, was es war: ein leidenschaftliches Liebesgeständnis? Oder hätte ich auf dem Schulweg einen Smalltalk beginnen, nach ihrem Namen fragen sollen? Ich war aber nicht in ihren Namen verliebt. Können Qualia solch unbeschreiblicher Intensität überhaupt in Worte gefasst werden? Und können sie unkommuniziert bleiben, selbst wenn jede Art von Kommunikation vermieden wird?


Leider ist jedes manifeste Liebesgeständnis ein Herunterbrechen dessen, was gemeint ist, auf eine Ebene, auf der es mehr wahr ist. Der Liebende wird zusätzlich dadurch verletzt, dass er von ihn umgebenden Kommunikationsidioten auf die banale Ebene festgenagelt wird: vom noch unschuldigen, aber belanglos-banalen "Jack ist in Jennifer(?) verknallt" bis zum derben "Er steht auf sie/ist scharf auf sie". Das wahre Qualium der Liebe zu diesem Mädchen wird damit als entweiht erlebt, der Liebe wird die Unschuld genommen, die Tatsache des Verliebtseins zum Vorwurf gemacht. Das Beste und Höchste, das an komplexen Qualia möglich ist, wird, reduziert auf die Alltagsebene, zu einem gewöhnlichen zwischenmenschlichen Stoff für Tratsch. Allein das genügt für einen Suizid aus Verzweiflung vollkommen.


Die Preisgabe des heiligen Qualiums wird erlebt als Sünde, die die höchste Strafe fordert. Das Scheitern der (höheren) Kommunikation wird als das Scheitern des (höheren) Selbst erlebt, als ein Offenbarungseid des Ich: wenn mein höchstes Qualium auf ein banales und für die Mitwelt bedeutungsloses "Er ist in sie verknallt" reduziert wird, werde ich auf das Nichts reduziert. Meine Gefühle, mein Leben, mein Tod: eine Nichtigkeit. Hier bricht nicht das "Reale" in die Innenwelt des Subjekts ein, sondern Hegels "verkehrte Welt": das Höchste wird zum Banalsten, das Wesen zum Nichts, während das Nichtseiende sich als Richter über das höchste Sein erhebt. Als Erfahrung ist das nicht weniger als ein Tod Gottes.


Doch Gott ist nicht tot. In Träumen besteht die Möglichkeit, wie in Hegels Phänomenologie des Geistes die Verkehrung der verkehrten Welt des funktionalistischen/transaktionalistischen/NPC-esken Alltags zu erfahren. Qualia werden ohne Übersetzungsverluste kommuniziert, die ursprüngliche Ebene wird gehalten, Gesagtes oder auch nur durch Blicke oder bloße Gedanken Mitgeiteltes wird exakt so verstanden, wie es gemeint war. Mehr noch: es gibt einen Kommunikationsgewinn. Ich bin nicht in sensorischer Deprivation aufgewachsen, aber wie sich die ultrazarten Hände meiner elfenhaften Mieze anfühlen, kann ich unmöglich aus der Realität in die Traumwelt mitgenommen haben: als sie mich an den Händen nahm und aus einer lästigen Situation herausführte, war das ein neu erlebtes Qualium. Auch ihr tiefer und unbeschreiblich zarter Blick, mit vollkommenem Verständnis meiner Überforderung mit der Menschenmenge als Autist, aber ohne die geringste Spur des herablassenden Mitleids: das war eine Erfahrung von Angenommensein, von Verstandensein, von Zuhause, die ich nie vorher erlebt hatte.


Dadurch, dass wir unsere Qualia auf der Ursprungsebene teilen, werden sie nicht heruntergebrochen, sondern auf eine weitere Ebene erhöht, in ihrer Komplexität vertieft; es entsteht ein einzigartiges gemeinsames Qualium, das nur zusammen erfahrbar ist. Was mein Traummädchen mir im Traum gezeigt hat, halte ich daher für grundsätzlich möglich, egal ob die Begegnung in einem Traum, in der (besser: einer) Realität oder einer Simulation stattfindet. Es kommt nicht auf die technischen Bedingungen der Erfahrungsmöglichkeit an, sondern auf das Dasein des Bewusstseins. Neo und Trinity empfinden in der "Matrix" und in der "realen Welt" dasselbe füreinander. Im "13th Floor" hängt die Liebe der Protagonisten zueinander nicht davon ab, ob sie sich in einer Simulation, einer Simulation einer Simulation oder einer Simulation einer Simulation einer Simulation befinden: sofort wird intuitiv erkannt, ob er/sie der/dieselbe ist oder nicht. Und doch erscheint es uns als common sense, jene Realitätsebene für "wirklich real" zu halten, auf der höhere Kommunikation nicht möglich ist, auf der Qualia in der Übersetzung verloren gehen, und alles Geistige, Seelische, Mentale, Intentionale auf bloßes Funktionieren von Transaktionen reduziert wird, und zwar durch die (entropische?) Beschaffenheit der Realitätsebene selbst.

Einsam und Allein

 

 

Lange Zeit war ich allein, aber nicht einsam. Seit kurzer Zeit bin ich einsam und es fühlt sich gut an. Besonders erhaben, wenn ich allein bin. Ich will nur noch allein sein, zu keinem Wir gehören. Es hat ja schon einmal funktioniert: wir waren ein Freundeskreis aus Individuen, keine Gruppe, jeder für sich. Wir sprachen über Philosophie und Religion, später über Männer und Frauen, waren uns einig in der Kritik des Gynozentrismus und der linksliberalen Politik. Dabei hatte jeder völlig unterschiedliche Ansichten über Gesellschaft, Technologie, die richtige Lebensart. Der Vorteil war: es gab keine gemeinsame Sache, die jemand von uns hätte verraten können. Jeder war allein. Wir tauschten Meinungen aus, oft die gleichen, und hatten sogar einen einem Philosophen gewidmeten Philosophenkreis. Und doch waren wir keine Gruppe, die gemeinsame Ziele oder Werte hätte, sondern Individuen, die in vielem übereinstimmten, sodass nur dann einer den anderen hätte verraten können, wenn er ihn privat und persönlich angegriffen hätte. Aber aus welchem Grund denn? Zum Teufel, es waren nicht einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt zwei von uns in dieselbe Frau verknallt!


Ich bin nicht allein genug, das muss sich wieder ändern. Ich habe gute, sehr gute Freunde. In letzter Zeit war ich oft weder allein noch einsam, so als würde ich mein inneres Wesen verraten. Ich will ja, dass alle Lebewesen glücklich sind, nur sollen sie halt Abstand zu mir halten. Eine Maske muss nicht sein, ein Pokerface genügt. Ich will kein Zusammen, kein Beisammen, kein Gemeinsam, ich will einfach nur Gutes tun. Ein trauriges Danke hören von jemandem, der auf keine Hilfe mehr gehofft hat, bis kein Danke mehr traurig sein muss. Glückliche Menschen sehe ich gern. Als Panorama. Wie glückliche Kaninchen auf der Wiese, verspielt und sorglos. Ich will zu einer besseren Welt beitragen, aber dabei in keiner noch so sympathischen Uniform marschieren. Die Welt zu einem besseren Ort machen für die, die Beziehungen eingehen können. Das Gute ist mir keineswegs nur Mittel zum Zweck, um mein Karma zu verbessern, ich will das Gute auch an und für sich. Eine Gesellschaft, in der nicht das soziopathische "cool" der erstrebenswerteste Charakterzug ist, wäre auch etwas für mich; eine Gesellschaft, die den Idealismus nicht auslacht und sich vor dem Zynismus nicht verbeugt.


Ich strebe eine Welt an, die mich nicht braucht, in der sich der gute Wille endlich verwirklicht hat. Keineswegs will ich die Welt verändern, nur verbessern. Sie soll gut genug werden vor allem für Kinder, egal wo sie aufwachsen. Dann gäbe es keine Themen, bei denen sich lose Individuen einig sein könnten. Keine Freundschaft würde von Leidensgenossen geschlossen werden; nein, nur die sollen Freunde werden, die sich gegenseitig mögen. Und ich will einsam sein, ohne dass meine Einsamkeit als das Bedürfnis, mit jemandem zusammen zu sein, oder irgendwo dazuzugehören, missdeutet wird. Einsam und traurig, und allein gelassen. Und all das ist weder prätentiös noch pathetisch, sondern ein einfaches, fast schon sinnliches Gefühl, mehr auf der Haut als im Herzen. Genug zu sein, sich selbst zu genügen: das sind Selbstschutzbehauptungen, die nicht stimmen. Ich will die Einsamkeit fühlen. Einsam sein, und mich überraschen lassen, ob nicht vielleicht doch – als offene Frage verstanden, so redlich wie nur geht, nicht als ein manipulatives Verlangen nach einem kitschigen "Happy End".