Sonntag, 17. Juni 2018
Verschwörungstheorien V: Die Offenbarung
Ein schrecklicher Unfall ist passiert: beim Urknall ist ein Winzigstel mehr Materie als Antimaterie entstanden, und daraus unsere der Vernichtung geweihte und derselben weggestohlene Welt. Etwas hatte die ewige Harmonie des Nirwana gestört, und es entstand Samsara, die leidvolle Existenz. Der Urmensch, dieser wissbegierige Geist erregte das göttliche Prinzip, und aus dem Unwillen Gottes entstand die von Urbeginn an menschliche Welt. Ob die moderne Physik, der Buddhismus oder die Darlegung dessen, wie es wahrscheinlich in Wahrheit war, - alle ernstzunehmenden Schöpfungserzählungen berichten vom harmonischen Urzustand und der ursprünglichen, in der Regel unerklärlichen Störung der Harmonie, welche die Existenz unserer Welt verbrach.
Am Anfang war das Problem, und das Problem war in der Welt, und das Problem war die Welt. Aber auch die Lösung war von Anfang an beigefügt - da die Welt als eine Zeitliche entstand (wie alles Unperfekte nur zeitlich, vergänglich, nicht-ewig sein kann, niemals still steht, sich selbst flieht), wird sie aufhören, sobald die Zeit vollendet ist. Die Preisfrage ist natürlich, wie man die Zeit, am Besten schon zu seinen eigenen Lebzeiten, vollenden kann. Der Egoist Verzeihung Buddhist erlöst durch gute Führung sich selbst und fährt nach dem Tode direkt in die ursprüngliche Harmonie; der noch nicht verzweifelte Physiker nimmt den Big Crunch am Ende aller Zeit an, den Anti-Urknall, der das Universum nach Hause bringen soll. Der Christ kennt keine Agenda 2012 - das war der Maya-Kalender - , dafür aber einen festen Plan der Vollendung der Zeit: die Offenbarung. Wie der Luxuslimousine-Buddhismus ist das Christentum auf die Erlösung der ganzen Welt aus, nicht auf individuelle Rückführung ins heimische Nirwana.
Was ist die Offenbarung? Die Offenbarung ist die Vernichtung des Universums im göttlichen Willen bzw. der Akt der Vergebung der demiurgischen Sünde des Urmenschen. Die gegen den göttlichen Willen vom Geschöpf geschaffene, und somit künstliche Welt kann keine Welt des Geistes sein, sondern nur eine geistlose, was sich nicht nur in ihrer Ästhetik widerspiegelt. Mit der Offenbarung kommt der Geist in die von allen Geistern verlassene Welt zurück, um den der Geistlosigkeit anheim gefallenen Geist, den Menschen, von der Herrschaft der Materie über den Geist, des Mittels über den Zweck, zu erlösen.
Die Offenbarung ist keine Theorie, sondern eine Tatsache, keine Lehre, sondern eine Person. Die in die Zeitlichkeit eingegangene Person Christi ist der Geist, der stets bejaht, das Gute will, und das Böse schafft: Christus war von Anbeginn der Welt ihr Erhalter, und alles, was der Mensch vermochte, wurde durch Christus ermöglicht. Die geistloseste Existenz hat Christus als den Grund der Existenz in sich; die böseste Tat hat den Willen als Geist mit dem großen Geist gemein. Soviel zu den Milliarden von Galaxien unseres Universums, die ihr Dasein allein dem Gott-Sohn verdanken. Nun zu Nazareth und Bethlehem: die menschliche Biographie Jesu ist weder der Anfang noch das Ende, sondern die Mitte der christlichen Heilsgeschichte. Die Offenbarung teilt die Weltgeschichte - der Zeit nach etwas ungleichmäßig - in die Zeit vor und nach Christus entzwei.
Es ist nicht das Leiden am Kreuz, sondern die Zeit vor seiner Geburt als Mensch, in der Christus trug hinweg die Sünde der Welt: als Bürge allen Daseins stand er in Opposition zum Gott-Vater und war somit, ohne Sünde, die Sünde selbst. Darum ist es schlicht irrelevant bis schlechterdings peinlich, wenn ein Mensch durch sein Martyrium die Leiden Christi überflügeln will. Christus hat geliebt, ohne jemals aufzuhören, bis in den Tod hinein, und das war sein Leiden - ein Leiden im Tun, nicht im Erdulden, ein Halten, kein Aushalten. Anstatt des Schlusssatzes eine Prise Zuspruch all denjenigen, die das eben Gesagte als blanken Un- bis karlsruhig anmutenden Tiefsinn empfinden: die Geduld Gottes kennt keine Grenzen, und meine Wenigkeit kann ohnehin nicht mehr tun, als das, was der Fall ist, einfach zu sagen - getan ist es ja bereits.
Samstag, 9. Juni 2018
Verschwörungstheorien IV: Was gehen wir Gott an?
Mit einem Gottesbeweis ist es freilich noch nicht getan. Nehmen wir das absolute Wesen als bewiesen an, ebenso dass es eine Person ist, kein unendlicher Automat, kein allumfassendes Nichts, sondern ein geistiges ich-haftes Wesen wie wir Menschen. Können wir hieraus schon folgern, dass sich dieses absolute Wesen für uns Menschen interessiert? Was soll der Grund dafür sein? Nur dass wir uns selbst ebenso Ich nennen, unserer Selbst bewusst, Personen sind? Nur weil wir an ein absolutes Wesen glauben und zu ihm beten können?
Es gibt Milliarden Sternensysteme, in denen Leben enstanden sein kann, könnte, konnte, können wird oder können würde. Vielleicht sind in den letzten fünf Milliarden Jahren zahlreiche Zivilisationen ich-sagender Wesen entstanden und untergegangen. Nach uns kommt wohl kaum die Sintflut - kosmisch gesehen - , sondern neue und aberneue Welten und "Menschheiten". Warum soll ausgerechnet unsere Menschheit, unsere kleine Ein-Planet-Welt von Gott zu irgendetwas auserwählt sein? Warum soll Gott, der eine Gott des gesamten Universums (und meinetwegen auch des gesamten Multiversums), ausgerechnet zu unserer Menschheit eine exklusive Beziehung aufgebaut haben, die uns zu über das natürliche religiöse Bedürfnis hinaus gehenden Hoffnungen berechtigt?
Es ist, Gott als bewiesen vorausgesetzt, mit derselben Logik, mit der etwa unser ontologischer Gottesbeweis zustande kam, als überwahrscheinlich anzunehmen, dass der Herr über die Unendlichkeit uns noch geringer achtet, als wir die Bakterien in unserem Verdauungstrakt. Was soll eine kleine von jeglicher ästhetischen und moralischen Perfektion weit entfernte Menschheit wie die unsere das absolute Wesen angehen? Wir können glauben, was wir wollen, wir können sogar logisch beweisen, dass es ein absolutes Wesen geben muss, freilich schuldet uns dieses absolute Wesen für unseren Beweis seiner Existenz genau nichts, und das ist ungefähr die Größenordnung, in der wir planetare Bakterien einen Dank von ihm für all unser Glauben, Beten und Opfern zu erwarten haben.
Auf unsere kleinen irdischen Maße übertragen und verdeutlicht: Nehmen wir an, es gibt einen Über-Bänker (nennen wir ihn R.), dem es egal ist, wer auf der Welt die Gesetze macht, solange er das Geld kontrolliert, und ich, kleiner Verschwörungstheoretiker, kann mit einem Streifzug durch die neueste Weltgeschichte logisch beweisen, dass es ihn gibt, und wie er in der Welt wirkt - weiß R. deshalb nun, dass ich von ihm weiß, ihn hasse oder bewundere, von ihm ein kleines Milliönchen will oder das Geld hasse und Sünde nenne? Selbst wenn R. von mir wüsste, hätte er kein Milliönchen für mich übrig, sondern nur ein Millionstel eines Schmunzelns.
Es sieht nicht gut aus. Inbrunst, Überzeugung, Entschlossenheit, uns selbst zu Tode zu kasteien, oder Andere für unseren Glauben zu töten, müssen Gott so egal sein, wie uns der auf unseren täglichen Stuhlgang zwingend folgende Tod von Milliarden unserer Darmbakterien. Es gibt nur eine Möglichkeit für uns, Gott nicht egal zu sein, - dies ist jedoch keine Möglichkeit für uns, sondern eine Möglichkeit für Gott. Nur indem Gott selbst Mensch wird, kann er uns überzeugen, dass ihn die Menschheit etwas angeht, und somit auch unser Glaube, unsere Religion und unsere Moral. Die Menschwerdung Gottes kann nichts logisch Ableitbares sein, keine mathematische Formel, keine philosophische Erkenntnis, sondern nur eine historische Tatsache. Ob dergleichen geschehen ist, ist keine bloße Gretchenfrage, sondern genauso eine Faustfrage, die für uns Menschen anthropologisch und praktisch nicht weniger bedeutet, als die Frage nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält.
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